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Anfang des Monats sorgten Fotos eines riesigen Amazon-Versandlagers für Aufregung, das am Rand des Slums von Tijuana, einer Metropole an der Grenze Mexikos zu den USA, erbaut wurde. Die Szenen zeigen einen scharfen Kontrast zwischen der Armut der Einwohner und dem Gebäude eines milliardenschweren Konzerns. Schnell kam deshalb die Frage auf, weshalb Amazon gerade diesen Ort gewählt hat, obwohl der Konzern nur eine halbe Stunde Autofahrt entfernt – im US-amerikanischen San Diego – ein weiteres Lagerhaus betreibt.

Unter anderem wurde spekuliert, dass es das Einsparen von Lohnkosten oder eine Erleichterung des Imports aus China gehe. Zumindest ersterem widerspricht das Unternehmen. Gegenüber "Rest of World" teilte ein Sprecher mit, dass man "unter keinen Umständen" mexikanische Warenhäuser nutze, um Pakete in das Nachbarland zu versenden: "Unser Fulfillment Center in Tijuana und alle anderen in Mexiko unterstützen nur die Belieferung unserer Kunden in Mexiko", hieß es in einer E-Mail. Allerdings dürfte der Standort durchaus auch für den US-Markt von Vorteil sein.

Freigrenze für Importe

Nachdem nämlich der ehemalige Präsident Donald Trump damit begann, neue Zölle auf chinesische Waren zu erheben, begannen einige Onlinehändler, sich auf eine Zollbefreiung namens "de minimis threshold" (auch genannt Section 321) zu berufen. Demnach können Pakete, die weniger als 800 Dollar wert sind, zollfrei in die USA importiert werden – wenn sie direkt an Kunden geliefert werden. Ein chinesisches E-Commerce-Unternehmen könnte Waren also erst nach Mexiko importieren, dort lagern und US-Bestellungen "direkt" an Kunden verschicken. Teurere Bestellungen können hingegen aufgeteilt verschickt werden, damit die Freigrenze nicht überschritten wird.

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Logistikfirmen bewerben dieses Vorgehen ganz offen. Laut einem Anbieter ist ein Warenhaus in Tijuana "über 53 Prozent günstiger und die Arbeitskosten 76 Prozent niedriger".

Günstigere Preise

Während also Einzelhändler importierte Produkte versteuern – und dementsprechend teurer anbieten – müssen, können sich Amazon oder Anbieter auf dessen Marketplace die Importsteuern sparen, wenn Kunden direkt beliefert werden. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass das chinesische Modeunternehmen Shein Konkurrenten wie Zara ausstechen konnte. Hinzu kommt, dass seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie immer mehr Menschen online einkaufen, was die Zahl kleinerer Pakete, die in die USA geliefert werden, in die Höhe schießen ließ.

Für Amazon dürfte es allerdings einen weiteren Grund für die Eröffnung des Versandlagers in Tijuana geben: den Einstieg in das lateinamerikanische E-Commerce-Geschäft. Alleine im vergangenen Jahr soll dieses um mehr als 36 Prozent gewachsen sein. Als Konkurrenz steht dem Konzern unter anderem das argentinische Unternehmen Mercado Libre gegenüber, dessen Umsatz 2020 laut Bloomberg um 90 Prozent gestiegen ist. Schon sieben Versandlager betreibt Amazon derzeit in Mexiko. Vier weitere sollen folgen. (red, 15.9.2021)