In Frankreich stehen zahlreiche Schlösser zum Verkauf.

Foto: Stefan Brändle

STANDARD: Ein Schloss in Frankreich zu kaufen liegt im Trend. Warum?

Besse: Die Covid-Krise hat eine Tendenz beschleunigt, die schon seit Monaten erkennbar war. Hitzewellen, Sozialproteste in den Städten und Attentate treiben die Städter aufs Land. Das ist meiner Meinung nach kein vorübergehendes Phänomen, sondern eine gesellschaftliche Umwälzung. Unsere Kunden wollen auch wieder ein "Familienhaus" gründen, um es ihren Kindern weiterreichen zu können.

STANDARD: Welche Güter sind am meisten gefragt?

Besse: Manoirs (Gutshäuser, Anm.), Herrensitze oder kleine Schlösser von 500 Quadratmetern. Und dies bis in entlegene Gegenden, wo sich früher kaum je Käufer fanden.

Patrice Besse ist Vorsteher der gleichnamigen Liebhaber-Immobilienagentur.
Foto: Besse

STANDARD: Treibt das nicht die Preise hoch?

Besse: Nicht unbedingt. In Frankreich bleiben Schlösser sehr zahlreich. Zudem sind die Landpreise staatlich geregelt. Das führt dazu, dass die Preise auf den Quadratmeter gerechnet unglaublich tief bleiben. Deshalb sollte man aber auch nicht erwarten, beim Wiederverkauf Gewinn zu machen. Die Schlossbesitzer, die ich kenne, berechnen ihre getätigten Investitionen für den Unterhalt kaum je ein, wenn sie später einmal den Verkaufspreis ansetzen.

STANDARD: Sollte man ein Schloss also nicht als Immobilieninvestition erwerben?

Besse: Ein Schloss zu kaufen bedeutet, Schlossherr zu werden. Das ist kein spekulativer Vorgang, sondern hat auch etwas Soziales: Man arbeitet mit lokalen Handwerkern, oder man öffnet das Schloss für Besuche. Wer ein Schloss gekauft hat, darf sich nicht hinter seinen Mauern verstecken.

STANDARD: Raten Sie jemandem, ein durchrenoviertes Schloss zu kaufen – oder die Erneuerung selbst zu gestalten?

Besse: Finanziell ist es oft vorzuziehen, ein Schloss zu kaufen, in dem die wesentlichen Arbeiten erledigt sind. Aber das ist nur ein Kriterium. Die Hauptfrage ist, was Sie mit dem Schloss wollen.

STANDARD: Viele, auch wenn längst nicht alle französischen Schlösser stehen unter Denkmalschutz. Ein Problem für Käufer?

Besse: Das hängt vom Kontakt mit den Architekten der "bâtiments de France" ab. Einige Käufer profitieren von diesem Dialog, andere ertragen ihn nicht. Das muss man vorgängig abklären. Für Ausländer hat ein Schlosskauf auf jeden Fall fiskalische Vorteile.

STANDARD: Kann man die Unterhaltskosten im Voraus abschätzen?

Besse: Sie reichen im Normalfall von 15.000 bis 300.000 Euro. Das ist nicht wenig. Das Privileg, Schlossherr zu sein, gibt es nicht umsonst. (Stefan Brändle, 15.9.2021)