Leon Bridges ist an einem durchschnittlichen Montagabend stärker angetan als manch einer bei seiner Hochzeit.

Foto: Sony / Pavielle Garcia

Sein Outfit ist für einen Afroamerikaner ein bisserl ungewöhnlich. Manchmal nämlich kleidet sich Leon Bridges sehr herkunftsloyal. Da sieht der US-amerikanische Soulsänger aus wie der letzte Woche verstorbene Schauspieler Michael K. Williams in der Streaming-Serie Hap and Leonard.

Die ist in den 1980ern angesiedelt, und Williams spielt darin einen schwulen, schwarzen Vietnamveteranen, der gern Countrymusic hört sowie Cowboyhut und -stiefeln trägt – was schon rein ästhetisch zu gewissen Friktionen mit den Drogendealern in der Nachbarschaft führt, die das gar nicht cool finden.

Leon Bridges ist also eine Erscheinung. Sein Cowboy-Outfit erklärt sich mit seiner Herkunft: Der 32-Jährige ist in Texas aufgewachsen, in Fort Worth. Das bedingt seine Vorliebe für Denim und Kuhhirtenmusik – wobei er natürlich auch anderes trägt. Dann sieht er aus, wie Curtis Mayfield in den 1970ern – nur unauffällig wirkt er nie.

Foto: Sony / Pavielle Garcia

Vor kurzem hat er sein drittes Album veröffentlicht: Es heißt Gold-Diggers Sound und ist nach dem Studio benannt, in dem er es in Los Angeles aufgenommen hat. Darauf entfernt er sich von seinen früheren Veröffentlichungen insofern, als dass Gold-Diggers Sound nicht so klassisch klingt. Denn bisher ging Bridges als Retro-Souler durch.

Vom Tellerwäsche zur Late-Night-Show

Diesen Ruf hat ihm sein 2015 erschienenes Debüt Coming Home eingebracht. Das katapultierte in aus einem klassischen Tellerwäscherjob auf immer größere Bühnen und Konzertsäle, Late Night Shows und andere mediale Vervielfältiger. Zumal sich der Titelsong des Albums im Erscheinungsjahr unter den "Top 10 Most Viral Tracks" der Musikplattform Spotify befand, und das sorgte für ordentlich Wirbel. Die australischen Teskey Brothers dürften das Album ebenfalls kennen.

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Coming Home betört als Vintage-Schleicher, der in der Tradition eines Otis Redding steht. Das kann Bridges gut: sehr ausgeruht klingen, verführerisch, tiefenentspannt wie nach einen Happy End.

Wesentlichen Anteil daran hatte Austin Jenkins. Der stammt ebenfalls aus Texas und spielte früher bei den Indie-Rockern von White Denim. Er tat für Bridges auf Coming Home das, was der legendäre Gitarrist Steve Cropper früher für Redding und andere Stars des Soul-Labels Stax getan hat: "funky licks" spielen, keinen Ton zu viel, dafür immer den richtigen.

Schwerpunktverlagerung

Das setzte sich auf Leon Bridges’ zweitem Album Good Thing fort: 2018 erschienen, nahm es Anleihen am zeitgenössischen R’n’B. Eine zwanglose Schwerpunktverlagerung, denn natürlich ist Bridges mit Hip-Hop aufgewachsen, dazwischen hat er aber die Countrymusic eines Willie Nelson gehört oder von der Schwermut eines Townes Van Zandt gekostet. Dementsprechend weitgefächert sind seine Gastauftritte.

Mit der US-Schlagersängerin Kacey Musgraves hat er ein Weihnachtslied eingespielt, dem aus der erweiterten Nachbarschaft stammenden Rapper Bun B verlieh er einen Schuss Extra-Soul, dasselbe tat er für die aus Houston stammende Instrumental-Band Khruangbin.

Dead Oceans

Mit Khruangbin nahm er 2019 den Song Texas Sun auf. Die intim produzierte Midtempo-Ballade wurde ein gepflegter Indie-Hit und war für Bridges’ Bekanntheit ebenfalls kein Schaden. Es läuft also gut, doch Bridges geht nicht einfach auf Nummer sicher und wiederholt erfolgreiche Formeln. Gold-Diggers Sound hat zwar das seelenloseste Cover-Artwork seines bisherigen Outputs, das beiseitegelassen, schreitet Bridges aber wieder ein Stück weiter in die Gefilde des Hip-Hop, spielt etwas, wofür sich die Vermarkter vor über 20 Jahren den Begriff Neo-Soul ausgedacht haben. Eine Musik, die meist weder Hip-Hop noch Soul ist – mit ein paar Ausnahmen.

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Auch dabei stellt er das Songwriting in den Mittelpunkt, die Beats sind eher filigran, keine Dicke-Hose-dünner-Inhalt-Wumme. Das klingt oft wie an der Grenze zum Minimalismus, erblüht auf der Länge des Albums aber auf seine Art ebenso wie die Musik auf den Vorgängerwerken – mit ein paar Abstrichen, die dann doch ein wenig zu simpel, zu lasch wirken.

Doch sogar daran merkt man, wie Bridges sucht, sich nicht zufrieden zurücklehnt, sondern schaut, was ihm gelingt, was ihm liegt. Bridges ist kein Sprinter, er ist auf der langen Distanz unterwegs, kein schriller Charakter, eher eine leise Sensation. Man freut sich jetzt schon darauf, wohin ihn seine nächsten Schritte führen. (Karl Fluch, 15.9.2021)