Das Geburtsdatum von Ideen und Bewegungen ist ungleich schwerer als jenes von Menschen festzulegen. Wenn Greenpeace heute, pünktlich am 15. September, ein halbes Jahrhundert Bestehen zelebriert und weltweit Gratulationsbekundungen eintrudeln sowie verschiedene Medien beinahe orchestriert die spannendsten Aktionen und Anekdoten platzieren, wirkt alles hochgradig koordinierter und professioneller, als es die teils chaotischen ersten Schritte der heute größten Umweltorganisation der Welt damals vermuten ließen.

Greenpeace drückt sich gerne durch die Macht der Bilder aus.
Foto: Greenpeace / John Cunningham

Greenpeace war nie die Idee einer oder eines Einzelnen. Es war vielmehr die überfällige Umwandlung einer Grundstimmung in "direkte, gewaltfreie Aktionen" zum "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Natur und die Gerechtigkeit für alle Lebewesen", wie sich Greenpeace selbst sieht.

Entstanden aus einem Mischmasch aus verschiedenen Friedens- und Ökologieströmungen in den späten 1960ern und frühen 1970ern, sind es die Bilder von kleinen Schlauchbooten, die sich großen Wahlkuttern entgegenstellten, oder wagemutigen "Kletterern" die von Kraftwerkskühltürmen hingen, die sich in die Gedächtnisse der Menschen einprägten. In den kommenden Jahren werde der Fokus neben dem Klima- vor allem dem Artenschutz gelten, betont Greenpeace-Programmdirektorin Sophie Lampl im STANDARD-Gespräch.

Artenverlust

60.000 Arten gehen jährlich verloren. Das ist die prekäre Zukunft. Die Vergangenheit prägte etwa jene berühmte, zunächst gescheiterte Aktion zur Verhinderung eines US-Atombombentests vor der Küste Alaskas im Jahr 1971. Sie gilt vielen als Gründungsmoment von Greenpeace, während andere diesen im Benefizkonzert ein Jahr zuvor, welches den Bootstrip überhaupt erst finanzieren sollte, verorten.

Das arktische Eis schmilzt.
Foto: Daniel Beltrá / Greenpeace

Wieder andere sehen in der einzig erfolgreichen Verhinderung eines Autobahnprojekts in einer nordamerikanischen Großstadt zu jener Zeit – Vancouvers berühmte Beachfront sollte 1971 einer Blechlawine weichen – die Geburtsstunde der Umweltorganisation. Jedenfalls seien da alle wichtigen späteren Mitglieder dabei gewesen, heißt es heute. Zumindest für die österreichische Sparte von Greenpeace, die gemeinsam mit anderen Aktivisten gerade gegen den Lobautunnel mobilmacht, kommen da unweigerlich Parallelen auf.

Teil einer Bankräuberbande

Die Autobahn in Vancouver wurde jedenfalls nicht gebaut, was den Aktivisten zeigte, dass Umweltproteste wirksam sein können und echter Wandel möglich ist.

Einige Personen aus der Gründungszeit sollten sich später von der Organisation lossagen, teils wegen Kritik an zu radikalen Aktionen oder weil es angeblich an Kompromissbereitschaft fehle.

Andere wollten hingegen noch radikalere Formen des Protests verfolgen. So wie Paul Watson, der 1977 die dem Meeresschutz ergebenen Sea Shepherds gründete, nachdem er bei einer Protestaktion einige Knüppel und erbeutete Felle von Robbenjägern nach Handgemengen ins Wasser warf und so ein Streit innerhalb der Organisation über die Gewaltfreiheit bei Aktionen auslöste. Streit gab es immer wieder, Kritik auch.

Neben Atomenergie, ein weiterer erklärter Feind von Greenpeace: die Kohleindustrie.
Foto: Mitja Kobal / Greenpeace

Bei Greenpeace zu sein sei aber eben auch ein bisschen so, wie einer Bankräuberbande anzugehören, auf die deine Mutter dennoch stolz sein könnte, sagte der britische Greenpeace-Aktivist Martin Porter kürzlich in einem Podcast.

Unterschied zu Fridays for Future

Lampl wählt eine etwas diplomatischere Bezeichnung und sieht die Organisation als "Anwältin der Umwelt". Darin sei auch der Unterschied zu modernen, teils flexibleren Umweltorganisationen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion begründet. Durch die gewachsenen Strukturen und große Anwaltsteams könne man seine Ziele auch anders durchsetzen – etwa mit Klimaklagen.

Ein Plastikberg aus 100.000 Plastikflaschen als Zeichen für den Plastikpfand.
Foto: Mitja Kobal / Greenpeace

Das kreative Überraschungselement, die Mindbombs – jene Bilder, die sich in die Köpfe der Menschen fressen und mit denen Greenpeace seit jeher für Aufmerksamkeit zu sorgen vermochte –, will man sich beibehalten. Unvergessen sind Aktionen wie der für angebliche Kunstvermessungsarbeiten "ausgeliehene" tote Wal, der dann vor der japanischen Botschaft in Berlin ausgestellt wurde oder die Ausrufung der Republik Sealand auf dem Felsen Rockall vor der britischen Küste. Unvergessen ist auch das von französischen Geheimdiensten versenkte Schiff, die Rainbow Warrior.

50 Jahre oder auch ein paar mehr nach der Geburt der Idee sind aber auch die ersten von Greenpeace plakatierten Plakate noch heute aktuell. "Ökologie? Schau es dir an. Auch dich geht es etwas an!" (Fabian Sommavilla, 15.9.2021)