Greenpeace nervt. Wer am Morgen auf dem Weg in die Arbeit ist, hat keine Zeit, sich mit grün bekleideten Fundraisern über die Fischerei- oder Erdölindustrie zu unterhalten. Es geht um die Rettung der Welt, wird einem gesagt – und das schon bei einer Spende von neun Euro im Monat. Oder doch nur um die Bereinigung des eigenen Gewissens?

Seit mittlerweile 50 Jahren will uns Greenpeace informieren, schockieren und aktivieren. Wie auch bei anderen Umwelt- und Klima-NGOs liegen Idealismus, sachliche Kritik und Drama dabei oft nahe beieinander. Die Organisationen wollen Aufmerksamkeit, nicht nur des Themas, sondern auch des Geldes und der Spenden wegen. Moralische Empörung und Bilder vom Kampf Davids gegen Goliath zu erzeugen ist Teil der Strategie.

Seit mittlerweile 50 Jahren will uns Greenpeace informieren, schockieren und aktivieren.
Foto: AFP/JOHN THYS

Das hat nicht zuletzt jene spektakuläre und zugleich unverantwortliche Protestaktion während der Fußball-EM in diesem Jahr gezeigt, bei der ein Greenpeace-Aktivist mit seinem Gleitschirmflieger in München ins Trudeln geriet und dabei zwei Personen verletzte. Der deutsche Grünen-Politiker Konstantin von Notz brachte es danach auf den Punkt: "Wichtiges Thema, aber krass idiotische Aktion."

Man kann den Aktivistinnen und Aktivisten von Greenpeace aber auch noch andere Dinge vorwerfen. Etwa dass sie wenig demokratisch organisiert sind und Mitglieder kaum bis kein Mitspracherecht haben. Oder dass sie ein westliches Bild vom Klima- und Umweltschutz zeichnen, das nicht unbedingt den Interessen von Menschen in Entwicklungsländern entspricht.

Fehlende Kompromissbereitschaft

Auch um eine gewisse ideologische Sturheit und fehlende Kompromissbereitschaft kommt die NGO nicht immer herum: Die starre Ablehnung von Gentechnik in der Landwirtschaft ist ein gutes Beispiel dafür. Denn bei aller Vorsicht, die der Technologie in den nächsten Jahren entgegengebracht werden sollte, könnte sie uns auch helfen, besser mit den Folgen des Klimawandels fertigzuwerden. Dafür bräuchte es aber eine grundsätzliche Offenheit.

Trotz aller Kritik an Greenpeace und anderen Umweltorganisationen müssen wir feststellen, dass wir ohne sie wohl eher schlechter als besser dran wären. So nervig, gefährlich und moralisierend ihre Aktionen auch sein mögen, zeigen sie doch auf, was in dieser Welt oft falsch läuft und welche Umweltverbrechen von Staaten und Konzernen zur persönlichen Bereicherung einiger weniger vertuscht werden.

Zu Recht müssen wir NGOs wie Greenpeace daher als Korrektiv für die Politik einerseits betrachten, die beim Klima- und Umweltschutz immer noch zu langsam handelt. Und für die Industrie andererseits, deren Streben nach Gewinn den Schutz der Umwelt und des Klimas zu oft außen vor lässt. Dass die Organisation mittlerweile weit mehr ist als ein Haufen naturverliebter Hippies, zeigt nicht nur die Größe, auf die sie angewachsen ist, sondern auch ihre Professionalität im Umgang mit Umweltproblemen. Eine Armada an Anwälten hat es geschafft, in den vergangenen Jahren wichtige Klagen gegen Ölkonzerne durchzusetzen, und deren Recherchen zeigen immer öfter die Umweltauswirkungen der Industrie auf.

NGOs sind lästig – auf der Straße, bei Verhandlungen, im Gericht und auf den Meeren. Das ist gut so! Wir werden sie auch in Zukunft brauchen. (Jakob Pallinger, 15.9.2021)