Das Trucker-Kapperl wollen sich immer weniger Menschen aufsetzen. Regulierungen und geringer Lohn bei hohen Anforderungen haben den Job unattraktiv gemacht.

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Was es bedeutet, wenn es in der Lieferkette knirscht, kann die Welt derzeit musterhaft an Großbritannien beobachten. Von zahlreichen Engpässen auf der Insel ist zu hören: In den Supermärkten bleiben die Regale leer, in zahlreichen Pubs sprudelt kein Bier mehr, und diverse Fastfoodriesen beklagen bereits Nachschubprobleme bei Milchshakes und Co. Das liegt jedoch weniger an einem Mangel an Produkten, sondern vielmehr fehlt es an Personal — es finden sich keine Lkw-Lenkerinnen und -Lenker mehr.

Ein Grund dafür ist im Brexit zu suchen. Viele ausländische Lastwagenfahrer haben sich aus dem Vereinigten Königreich verabschiedet. Dem Logistikverband Road Haulage Association zufolge fehlt es aktuell an rund 100.000 Lenkerinnen und Lenkern. Eine Lücke, die nur sehr schwer zu füllen ist: Bedingt durch den Austritt der Briten aus der Europäischen Union, braucht es zur Anwerbung von neuen Steuermännern und -frauen aus dem Ausland Visaverfahren.

Und die sind aufwendig und nicht eben günstig. Die britischen Transportunternehmen müssen sich also wieder mehr im eigenen Land umsehen. So hat das Wirtschaftsministerium in London dazu aufgerufen, verstärkt Einheimische als Fahrer einzustellen.

Auch in der EU

Dass der Truckermangel zu einem großen Beschäftigungsprogramm für britische Staatsbürger wird, ist aber zu bezweifeln, sagt Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien: "Der Fahrerjob ist insgesamt so unattraktiv geworden, dass es auch dort an Nachwuchs mangelt."

Somit verschärft der Brexit offenbar nur eine Entwicklung, die sich auch in der EU beobachten lässt. Italien etwa klagt ebenfalls. Dort ist derzeit von einem Defizit von 17.000 Fahrern die Rede.

Zur Lösung des Problems will man aber den umgekehrten Weg gehen als in Großbritannien: So fordern die Fachverbände vermehrte Arbeitsgenehmigungen für Ausländer. Zudem wurde in der Lombardei ein Programm gestartet, das mit insgesamt fünf Millionen Euro Neueinstellungen und Fahrerausbildungen subventioniert.

Das Freiheitsgefühl ist weg

Aber nicht nur bei den italienischen Nachbarn ist das Problem akut. In Österreich sei die Situation zwar derzeit noch nicht ganz so angespannt, aber das könnte sich in nächster Zeit ändern, mahnt Kummer: "Noch schlägt das nicht auf die Lieferketten durch, aber die Transportunternehmen haben jetzt schon erhebliche Schwierigkeiten, zuverlässiges und qualifiziertes Personal finden. In den nächsten Jahren werden viele Fahrer in Pension gehen, aber es kommen kaum welche nach."

In der Vergangenheit habe es in dem Beruf sehr gute Verdienstmöglichkeiten gegeben, was aber durch die Fahrzeitenregelungen immer mehr eingeschränkt wurde. Ohnehin sei durch die zahlreichen Regulierungen und Kontrollen das Freiheitsgefühl, das einst noch mit dem Dasein als Trucker verbunden wurde, abhandengekommen: "Früher haben sich die Fahrer sehr selbstbestimmt gefühlt. Jetzt herrscht vor allem Stress. Die Anforderungen sind extrem gestiegen, und die Bezahlung ist relativ gesunken."

Hier setzt nun aber der EU-Mobilitätspakt an, der heuer am 20. August in Kraft getreten ist: Die europäischen Lkw-Fahrer sollen bessere Arbeitsbedingungen bekommen, und unfairen Wettbewerb will man zunehmend verhindern.

In Österreich macht sich der wachsende Fahrermangel bedingt durch den aktuellen Aufschwung noch zusätzlich bemerkbar, berichtet Wolfgang Böhm, Fachgruppenobmann der Transporteure in der Wirtschaftskammer Wien: "Die wirtschaftliche Lage für unsere Transporteure wird besser, man merkt, dass wieder Bewegung ins Land kommt. Dies bedeutet auch, dass Waren, Baustoffe und Geräte bewegt werden müssen. Damit wir das Auftragsvolumen erfüllen können, benötigen wir mehr Fahrerinnen und Fahrer."

An der Weiterbildung arbeiten

Deshalb hat die Wirtschaftskammer angekündigt, die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice weiter auszubauen. Das AMS fördert daher nun Personen mit C-Führerschein und Einstellungszusage, die aber noch die Weiterbildung zum Berufsfahrer benötigen.

Petra Draxl, Geschäftsführerin des AMS Wien, erläutert die Maßnahmen: "Wir wollen sowohl Personen mit als auch ohne C-Führerschein ansprechen und sie den Unternehmen vorstellen. Für Personen, die dann eine Einstellungszusage bekommen, gibt es die Möglichkeit für unterschiedliche Förderungen. Wenn ein Unternehmen und ein Fahrer gut zusammenpassen, dann soll es an der Weiterbildung nicht scheitern."

Für Arbeitssuchende ohne C-Führerschein, aber mit dem Wunsch, Lkw-Fahrer zu werden, gibt es ebenfalls die Möglichkeit einer Förderung. Im Rahmen des Projekts "Friends on the Road" übernimmt das AMS die Kosten für bis zu 100 C-Führerschein-Ausbildungen. "Auch hier gilt: Kommt es zu einer Einstellungszusage, kann man im Rahmen dieses Projekts gefördert werden", sagt Wolfgang Böhm.

Nicht abschrecken lassen

Jedoch ist dieser Berufsweg tatsächlich sinnvoll, wenn die Fahrer womöglich bereits in Zukunft durch selbstfahrende Lkws ersetzt werden? Sebastian Kummer meint, dass das Interessierte nicht abschrecken sollte.

Denn bis sich das autonome Fahren durchgesetzt habe, werde es noch einige Zeit dauern. Und selbst dann werden immer noch Menschen mit logistischem Know-how gebraucht: "Vielleicht müssen wir den Lenkerberuf neu definieren und die Fahrer- mit einer Logistikerausbildung verbinden. Schließlich sind die Lenker ja in Wirklichkeit für viel mehr zuständig als nur für die Steuerung des Fahrzeugs." (Johannes Lau, 15.9.2021)