Maskierte Skulpturen im Kongresszentrum Alpbach 2021: ein Ort der Begegnung, den man 2021 nur unter strengen Vorsichtsmaßnahmen besuchen durfte.

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Wie arbeitsintensiv müssen doch die Wochen und Monate vor den Alpbacher Technologiegesprächen für Beamte in den drei mit Wissenschaft und Forschung befassten Ministerien sein? Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen: Denn schon seit Jahren werden während des Europäischen Forums Initiativen vorgestellt, die Österreichs Wissenschaft, Forschung und Technologieentwicklung weiterbringen sollen.

Es sind viele kleine, einige mittelgroße und selten wirklich große Ansätze, die hier präsentiert werden: Das spätsommerliche Zeitfenster der öffentlichen Aufmerksamkeit darf sich jedenfalls nicht ungenützt wieder schließen. Ein Österreich-Spezifikum dabei ist, dass viele dieser Initiativen Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte brauchen, um als solche vorgestellt zu werden.

Exzellenzidee wiederbelebt

Erste Ideen bezüglich einer Exzellenzinitiative des Wissenschaftsfonds FWF wurden bereits unter der Präsidentschaft des Strukturbiologen Christoph Kratky (2005–2013) notiert und lagen dann mehrere Jahre in Schubladen, ehe man unter Ex-FWF-Chef Klement Tockner, mittlerweile Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, die Idee wieder aufgegriffen hat – weil die Zeichen auf mehr Geld für die Grundlagenforschung im Zusammenhang damit so schlecht nicht standen.

Die im vergangenen Frühjahr nun endlich vorgestellte Initiative Clusters of Excellence hat immerhin mehr Mittel zur Verfügung als andere Programme innerhalb des vom Wissenschaftsministerium finanzierten FWF. Vergeben werden bis zu 70 Millionen Euro für zehn Jahre für Konsortien, die aus mindestens drei Universitäten bzw. Forschungseinrichtungen bestehen müssen.

Für die Spezialforschungsbereiche (SFB), vielfach als erste Exzellenzinitiative bezeichnet, stand bisher für maximal acht Jahre maximal eine Million jährlich zur Verfügung. Es geht also darum, mit Forschungsprojekten größer, weil besser ausgestattet und international sichtbarer als bisher zu sein.

Vier bis sechs Exzellenzzentren möglich

Am Rande der Technologiegespräche Alpbach wurden schließlich Zahlen genannt, die auf das große Interesse in der österreichischen Wissenschaftscommunity hinweisen: 37 Forscherteams haben sich demnach mit einem "Letter of Intent" in der ersten Antragsrunde um die Millionenförderung beworben, teilten FWF und Wissenschaftsministerium mit. Welche Konsortien davon Clusters of Excellence werden und jeweils bis zu 70 Millionen Euro für zehn Jahre erhalten, entscheidet sich allerdings erst Anfang 2023. FWF-Präsident Christof Gattringer meinte in Alpbach, dass je nach Größe der einzelnen Cluster – es haben nicht nur Wissenschafter aus den Naturwissenschaften, sondern auch Geistes- und Sozialwissenschafter Anträge gestellt – vier bis sechs Exzellenzzentren möglich sein werden.

Für Kritik unter Wissenschaftern und Wissenschafterinnen sorgte bereits das Finanzierungsmodell: 60 Prozent der zur Verfügung gestellten Mittel kommen vom FWF, aber immerhin 40 Prozent kommen von den Universitäten und Institutionen, die sich an den Konsortien beteiligen. Die Rektorate der Unis müssen sich also zu den Investitionen verpflichten und treffen demnach eine gewisse Vorauswahl unter möglichen Einreichern, worin Kritiker die Gefahr von Benachteiligungen für kleinere, noch unbekanntere Verbünde sehen. Unis sehen das naturgemäß anders. In den ersten drei Jahren stehen dem Wissenschaftsfonds für die Exzellenzzentren jedenfalls 150 Millionen Euro zur Verfügung, mit den Mitteln der beteiligten Institutionen sind es somit insgesamt 250 Millionen Euro.

Gesetze geändert

Mindestens ebenso lang wie die Geburt der Exzellenzinitiative dauerte eine längst fällige Änderung im Bundesstatistikgesetz und im Forschungsfinanzierungsgesetz, die nun Wissenschaftern unter strengen Bestimmungen die Möglichkeit geben, Forschung mit Datenmaterial aus der Statistik Austria zu betreiben. Das bis Mitte 2022 auf dieser Basis zugängliche Austria Micro Data Center geht laut Wissenschaftern der Plattform Registerforschung auf erste Anstrengungen in den Nullerjahren zurück.

Jetzt könnte man etwa die Einflüsse von Bildungsverläufen auf den Arbeitsmarkt ins Detail gehend analysieren. Bisher war das großteils nur mit nicht aus Österreich kommendem Datenmaterial möglich. Die datenbasierte Forschung bezüglich Entwicklungen in der Gesundheit ist aber auch damit noch nicht möglich: Für die zum Beispiel im Pandemiemanagement relevanten Elga-Gesundheitsdaten brauchte es eine zusätzliche eigene Verordnung vom Wissenschafts- und vom Gesundheitsministerium.

Gesundheitsdaten liegen aber auch in anderen Institutionen, eine Verknüpfung in Form eines unabhängigen Medizindatenzentrums wäre eine Idealvorstellung von Wissenschaftern und Wissenschafterinnen, die in den vergangenen 18 Monaten Prognosen erstellten über Infektionszahlen und Hospitalisierungen. Bleibt zu hoffen, dass diese Idee nicht erst in zehn Jahren umgesetzt wird. In Alpbach jedenfalls wurde immer wieder betont: Forscher können erst nach einem entsprechenden Antrag und einer Prüfung nach datenschutzrechtlichen Kriterien auf Registerdaten im Austria Micro Data Center zugreifen, um konkrete Forschungsfragen zu stellen. Und das wird auch bei künftigen Datenzugängen nicht anders sein.

Künstliche Intelligenz

Die nun vorstellte KI-Strategie von Klimaschutz- und Digitalisierungsministerium wurde 2018 für 2019 angekündigt – sie ist also dank der Umsetzung 2021 fast so etwas wie der Road Runner unter den heuer in Alpbach vorgestellten Initiativen. Man muss bedenken: Da lagen ein Ibiza-Skandal und Neuwahlen dazwischen. Das Paket enthält allerdings keinerlei Zusage für frisches Geld.

Zum Vergleich: In Deutschland wurde eine entsprechende Strategie mit drei Milliarden Euro Budget und dem Ziel von 100 neuen Professuren bis 2025 beschlossen. In Österreich setzt man auf die geplante TU Linz. Das Klimaschutzministerium hat zudem schon seit längerem ein Programm über die Förderagentur FFG laufen: AI for Green. Hier gibt es heuer sieben Millionen Euro Budget. Wie weit man damit angesichts internationaler Konkurrenz kommt, wird sich zeigen. (Peter Illetschko, 17.9.2021)