Mit dem Twitter-Konto hat Anonymous Germany einen durchaus reichweitenstarken Kanal verloren.

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Attila Hildmann, ehemals bekannt für vegane Kochrezepte, nunmehr für rechtsextreme Aussagen und die Verbreitung von Verschwörungserzählungen, hat ein Reichweitenproblem. Nachdem erst im Juni erneut seine größten Telegram-Kanäle gesperrt wurden, wurden seine neuen Channels sowie seine Webseiten vor wenigen Tagen fast vollständig von Anonymous Germany gekapert. Auch auf seinen Hauptseiten ist nach wie vor die Botschaft des Kollektivs anstelle der üblichen Inhalte zu sehen.

Das Kollektiv aus Netzaktivisten hatte für die "Operation Tinfoil" einen unerwarteten Verbündeten gefunden. "Kai", ehemaliger IT-Verantwortlicher von Hildmann, stellte sich gegen seinen einstigen Partner und hatte den Zugang geliefert. Nach eigenen Angaben konnte die Gruppe zahlreiche Informationen, inklusive rund 100.000 Mails, abgreifen und hat Leaks angekündigt.

Die Nachricht vom digitalen Angriff auf Hildmann verbreitete sich vor allem auf Twitter. Dort erreichten die Aktivisten bis vor kurzem rund 100.000 Follower über ihren "AnonNewsDE"-Account. Dieser wurde jetzt aber durch Twitter permanent gesperrt.

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Lob und Kritik für Anonymous

Wer das Profil aufruft, findet dort nur noch einen Hinweis auf die Sperre. Auch die bisher abgesetzten Nachrichten werden nicht mehr angezeigt. Gegenüber dem "Spiegel" ortet Twitter Verstöße gegen jene Vorgaben, die das Veröffentlichen von privaten bzw. illegal erworbenen Informationen untersagen, und sieht auch die Richtlinien zu "privaten Informationen" sowie "Plattformmanipulation und Spam" verletzt.

Mit der Kaperung von Hildmanns Kanälen und Webseiten hat sich Anonymous rechtlich in problematisches Fahrwasser begeben. Für die Aktion hatte die Gruppe online dennoch viel Beifall geerntet. Einige User äußerten gleichzeitig Kritik an den deutschen Behörden, die sich mit dem Vorgehen gegen ihn viel Zeit gelassen hatten.

Zudem soll der ins Verschwörungsmilieu abgedriftete Koch vorab über die Ermittlungen gegen ihn informiert worden sein, was es ihm ermöglicht haben soll, einem behördlichen Zugriff zuvorzukommen, indem er sich in die Türkei absetzte.

Einige Stimmen kritisierten aber auch Anonymous Germany. Dem Kollektiv wurde Selbstjustiz vorgeworfen. Zudem, so der Tenor, hätten rechtsstaatliche Regeln für alle zu gelten, und ein Verstoß dagegen sei auch nicht gutzuheißen, wenn es einen Rechtsextremen wie Hildmann treffe. Ungeachtet dessen machen sich nun User, darunter auch die deutsche Piratenpartei, für die Wiederherstellung des Accounts stark.

Auf ihrer eigenen Website "Anonleaks" geben sich die Aktivisten jedenfalls kämpferisch. "Wer glaubt, Anonymous sei jemals zum Schweigen zu bringen, der irrt. Sehr sogar", schreibt man dort ob des Verlusts des reichweitenstarken Accounts.

Neuaufbau

Hildmann selbst ist derweil damit beschäftigt, sein Publikum auf Telegram in seine neu gegründeten Kanäle zu lotsen. Zudem lässt er seinem Ärger über "Kai" freien Lauf und verbreitet auch private Informationen über seinen einstigen IT-Beauftragten. Ob und wann er seine Domains, die er im Glauben an eine bevorstehende Beschlagnahmung an "Kai" übertragen haben soll, wieder erhält, bleibt abzuwarten.

Ebenso ungewiss ist, ob Telegram seine neuen Präsenzen sperren wird. Der Messengerdienst sanktioniert extremistische Inhalte nur selten und lässt auch Transparenz im Umgang mit dem Problem vermissen. (gpi, 15.9.2021)