Tim Cook setzt sich seit seinem Amtsantritt dafür ein, dass die Produkte immer weiter verbessert werden – auch in diesem Jahr.

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Am Dienstag hielt Apple eines seiner jährlichen Highlight-Events ab – die Präsentation der neuen iPhone-Modelle. Früher Quell der Innovation, wurden 2021 primär technische Daten heruntergebetet. Die Farben auf dem Bildschirm sind jetzt noch intensiver, die Kameras noch etwas größer, und der Wunderchip könnte gleichzeitig das Malen eines Van-Gogh-Bildes und das Durchspielen des neuen "Call of Duty"-Videospiels verarbeiten.

Beeindruckend, mit Sicherheit – dennoch wurde man nach dem Event das Gefühl nicht los, dass man im Bereich mutiger Innovation nicht mehr bei Apple suchen muss. Ein Pfad, den Cook schon seit Jahren beschreitet und damit höchst erfolgreich ist.

Feinjustierung statt Innovation

Perfekt choreografiert wie immer spulten die Führungskräfte von Apple, allen voran Tim Cook, über 70 Minuten ihr vorgefertigtes Programm ab. Sie begannen damit, vom Erfolg ihres Streaming-Services Apple TV+ zu erzählen, dann ging es schnell in die Produktpräsentation. Zwei neue iPads werden bereits in den nächsten Wochen das Licht des Apple-Stores erblicken, um mit einem 80 Prozent schnelleren Grafikprozessor und einem 40 Prozent schnelleren Chip die Welt der Nutzer aus den Angeln zu heben. Bis auf höher, schneller und weiter – übrigens auch bei 5G und den verbauten Kameras – blieb der Wow-Effekt aus. "More of the same" in neuem Gewand, auch wenn das neue iPad Mini aufgrund der Kombination aus Leistung und Kompaktheit sicher seine Käufer finden und dem Pro-Modell immer ähnlicher wird.

Der Druck von außen auf das iPad ist aktuell noch überschaubar. Über 30 Prozent des Tablet-Markts deckte man 2020 weltweit mit den eigenen Geräten ab. Samsung liegt mit etwa 20 Prozent dahinter, alle anderen Hersteller spielen in diesem Segment kaum eine Rolle. Nur Amazon sichert sich zunehmend Marktanteile, aber das hat wohl auch mit der Marktmacht des US-Konzerns zu tun, der seine Fire-Tablets günstig als Einstiegsportale für seinen Shop und seine Streamingdienste verkauft.

Auch bei der Apple Watch zeigte man sich verhalten mit Neuerungen. Die in ihrer siebenten Generation befindliche Uhr soll laut Apple "All Day battery life" bieten, ohne zu erwähnen, wie lang so ein Tag sein darf. Ein größeres Display wurde gezeigt, nachdem man sich erstmalig zu etwas runderen Kanten entschieden hat, und natürlich wird es neue Bildschirmhintergründe geben. Gleichzeitig wird es laut Apple die "Most Durable Apple Watch ever". Klar, die Konkurrenz schafft es noch immer kaum bis gar nicht, in die Möglichkeiten der Apple Watch einzutauchen – vielleicht lässt man sich auch deshalb bei Apple Zeit mit großen Sprüngen, etwa bei der Akkulaufzeit.

Für Apple ist die Watch Dienstleister für den Nutzer, sei es beim Sport oder als Erweiterung des iPhones. Für Cook, so hat man das Gefühl, ist die Apple Watch fertig und muss nur durch gute Software stetig erweitert werden. Die Zahlen geben ihm recht. Im vergangenen Jahr verkaufte sich die smarte Uhr über 100 Millionen Mal, vor fünf Jahren lag man bei zehn Millionen Stück.

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Die Apple Watch scheint in ihren Grundzügen fertig designt zu sein. Jetzt geht es dem Konzern um Software und Services, die erweitert werden müssen.
Foto: Apple, Reuters

Der Stargast

Und da war noch der Stargast des Abends – das iPhone 13. Wie eingangs erwähnt, wurden bei allen vier Modellen die Kameras verbessert, der Akku und natürlich der alles antreibende Chip A15 Bionic. "15 Billion Transistors, 15.8 Trillion Operations Per Second" und eine schnellere "Neural Engine" – dazu mussten Mitarbeiter von Adobe und einem bekannten Spielstudio erklären, wie viele Möglichkeiten das künftig böte.

Der Verbau von drei neuen Kameras in den Pro-Modellen ist sicher eine Kampfansage. Neue Sensoren, Autofokus bei der Ultraweitlinse und das neue ProRes, ein von Profis schon länger benutztes Format, zielen eindeutig auf professionelle Fotografie und Video-Inszenierung ab. Das mag einen Teil der Fangemeinde abgeholt haben, aber den durchschnittlichen Zuseher mögen diese Fakten wohl kaum zu einem Neukauf drängen. Vor allem auch deshalb, weil man preislich mit allen Modellen wieder ganz oben angesiedelt ist.

Obwohl so manches Gerücht es bereits vorhergesehen hat, tatsächlich wurde auch in diesem Jahr keine Touch-ID in das iPhone verbaut. In Zeiten von Corona hätte man vermuten dürfen, dass zumindest in den Pro-Modellen dieses Komfort-Feature Einzug halten wird. Diese Hoffnung muss jetzt bis nächstes Jahr warten. Der Notch am oberen Rand wurde immerhin kleiner gemacht, jedoch noch immer weit entfernt von den mittlerweile sehr subtilen Lösungen so mancher Android-Konkurrenz. Spät, aber doch feiert zumindest ein 120-Hertz-Display seinen Einstand bei Apple – allerdings nur beim iPhone 13 Pro (Max).

Auch hier bietet Apple Feinjustierungen an seinen Geräten und gibt in diesem Jahr sogar dem kommerziell wenig erfolgreichen Mini noch eine Chance. Wie bei den anderen Produkten scheint Cook das Produkt in seiner jetzigen Form als "angekommen" zu sehen. Designtechnisch sind seit Jahren kaum noch Sprünge möglich, von faltbaren Smartphones hält man offenbar wenig, wohl auch weil die Produktion noch viel zu teuer ist und man für ein faltbares iPhone Pro wohl mehrere Tausend Euro ausgeben müsste. Lieber abwarten, scheint die Devise. Sollen die anderen einmal zeigen, dass es funktioniert und der Markt Interesse signalisiert.

Für die Umwelt

Der Mangel an guten Schlagzeilen ließ Apple einmal mehr die Umweltkarte spielen. Schon das Intro ließ Musiker im Wald auf Trommeln schlagen, und eine Sängerin ließ ihre Stimme über eine bunte Wiese gleiten. Nach jedem Produkt wurden Schlagworte wie "Zero Waste" oder "Free of Arsenic" eingeblendet – man nutze etwa 100 Prozent recycelbares Aluminium beim neuen iPad, und die Lautsprecher würden aus erneuertem Plastik bestehen.

Nicht falsch verstehen, sollten all diese Fakten stimmen, so möge man Apple dafür zu Recht loben. So lange sie nicht unter der Umweltflagge Accessoires entfernen, wie im vergangenen Jahr das Ladegerät beim iPhone, aber weiterhin preislich eher steigen als sinken, sei ihnen der grüne Daumen vergönnt.

Gekochte Äpfel

Unter der Führung von Tim Cook hat sich Apple schon in den letzten Jahren stark verändert. Dem Mann, der vor zehn Jahren das Ruder übernommen hat, geht es nicht darum, Leute mit Visionen aus den Sesseln zu treten. Das Apple Car, Augmented-Reality-Brillen, ein Apple-Fernseher – viele Projekte stehen bei einer der wertvollsten Marken der Welt in der Warteschleife, aber Cook geht es seit seiner Regentschaft um Feinjustierung. Leute kaufen jedes Jahr iPhones und die von ihm eingeführte Apple Watch. Warum das Rad neu erfinden, wenn der Umsatz stimmt. Unter Cook ist die Apple-Aktie heute das Zehnfache wert, im Vergleich zu seinem Amtsantritt. Die Mitarbeiterzahl hat sich von 60.000 auf 147.000 erhöht, und unter Cook verkauft sich das iPhone pro Jahr öfter als unter Jobs in fünf Jahren.

Die Konkurrenz schläft nicht, das weiß auch Apple. Der Druck, jedes Jahr neue Geräte vorzustellen, auch wenn man keine Revolution bieten kann, ist in diesen Zeiten da. Ein anderer zu erwähnender Punkt ist sicher, dass die Geräte mittlerweile technisch schon so weit sind, dass Innovation zunehmend schwieriger wird. Man kann mit den Geräten mittlerweile so viel – sie ersetzen Kalender, Wecker, Telefon, Straßenkarten, Kameras und so vieles mehr –, hier in jedem Jahr die Welt zu überraschen, scheint nicht nur ambitioniert, es ist wohl unmöglich.

Ein Ass, um die eigenen Nutzer schon bald zu begeistern, hat der Apple-Chef zudem noch im Ärmel. Am 20. September sollen die neuen Betriebssysteme iOS 15 und iPadOS 15 erscheinen, deren neue Funktionen in der Präsentation nur angeschnitten wurden. Aus der bereits abgeschlossenen Beta-Phase weiß man allerdings bereits von einer neuen Texterkennung, überarbeiteten Nachrichten, neuen Facetime-Features und vielem mehr. Das Ökosystem ist für die meisten Nutzer von Apple-Geräten fast noch wichtiger als die Geräte selbst. Das weiß auch Tim Cook. Deshalb wird er wohl auch nach der unaufgeregten Präsentation am 14. September noch gut schlafen können. (aam, 15.9.2021)