Strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen können unangenehm sein. Das Spektrum reicht dabei von lästig oder peinlich bis existenzbedrohend. Die gute Nachricht ist, dass sich die Betroffenen gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft wehren können, indem sie binnen sechs Wochen Einspruch erheben.

Was spricht gegen einen solchen Einspruch?

Wer kaum Kenntnisse der Strafprozessordnung hat, nicht sehr gut Deutsch spricht oder zumindest Probleme hat, das Amtsdeutsch der gedruckten Rechtsmittelbelehrungen zu verstehen, dem ist womöglich gar nicht bewusst, dass er die Möglichkeit hätte, Einspruch zu erheben. Ein anderer möglicher Grund ist das anwaltliche Honorar. Wer über begrenzte finanzielle Ressourcen verfügt, will diese vielleicht nicht zu früh an einer Nebenfront im Ermittlungsverfahren einsetzen, sondern seine Reserven für ein drohendes Hauptverfahren vor Gericht aufsparen.

Ein weiterer Aspekt: Wenn die Staatsanwaltschaft die per Einspruch geltend gemachte Rechtsverletzung nicht zugesteht beziehungsweise den gewünschten Zustand nicht selbst herstellt, ist sie verpflichtet, den Einspruch dem Gericht vorzulegen. Das unabhängige Gericht entscheidet dann. Das kann ein Vorteil sein, denn wenn die Ermittlungsmaßnahme tatsächlich rechtswidrig war, dann wird das Gericht das hoffentlich auch erkennen. Entscheidet das Gericht aber gegen den Einspruchswerber, dann kann das im schlimmsten Fall das gesamte Verfahren zu seinen Ungunsten beeinflussen. Wer von den Erfolgschancen eines Einspruchs nicht überzeugt ist, wird daher eher davor zurückschrecken.

Sich über die Staatsanwaltschaft zu beklagen ist leichter

Damit hängt auch der vierte Aspekt eng zusammen: Es ist wesentlich leichter, sich in der Öffentlichkeit über die angeblich inkompetente, parteiische, unfaire Staatsanwaltschaft zu beklagen als über die Entscheidung eines unabhängigen Gerichts. Wer inhaltlich schlechte Karten hat, aber viel (Steuer-)Geld für PR ausgeben kann oder etwa den Boulevard jahrelang mit Inseraten angefüttert hat, der wird sich daher davor hüten, einen wenig erfolgversprechenden Einspruch gegen eine Maßnahme der Staatsanwaltschaft zu erheben. So weit, so abstrakt.

Warum wird kein Einspruch erhoben?
Foto: Matthias Cremer

Nun konkret: In den vergangenen Wochen und Monaten wurden zahlreiche staatsanwaltliche Ermittlungsmaßnahmen gegen hochrangige Politiker und Funktionäre bekannt. Die Reaktionen waren Wutgeheul der entsprechenden Partei und gewisser Medien sowie wüste Anschuldigungen gegenüber der WKStA, der zuständigen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Bemerkenswert daran ist: Kein Einziger der Betroffenen erhob Einspruch gegen die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft. Warum nicht? Wenn die Maßnahmen der WKStA so rechtswidrig, so unfair, so haarsträubend falsch waren, wie uns erzählt wird, warum erhebt dann niemand einen Einspruch?

Kritik muss möglich sein, aber keine persönlichen Angriffe

Dem einen oder anderen Politiker im Visier der WKStA würde man mangelnde Kenntnis der Strafprozessordnung zwar durchaus abnehmen, aber man darf wohl getrost davon ausgehen, dass die Herrschaften sehr wohl über die Möglichkeit eines Einspruchs informiert waren. Ist es möglich, dass die Herren in Wahrheit selbst davon ausgehen, dass die WKStA gesetzeskonform vorgeht? Dass nur deshalb keine Einsprüche erhoben werden, weil es sich gegen die WKStA viel bequemer hetzen lässt als gegen die unabhängige Gerichtsbarkeit?

An mangelnden finanziellen Ressourcen dürfte die Erhebung eines Einspruchs wohl kaum gescheitert sein. Natürlich können Staatsanwaltschaften Fehler machen. Natürlich kann das für die Betroffenen sehr belastend sein. Und natürlich muss es in einem demokratischen Rechtsstaat möglich sein, Kritik zu üben – aber nicht in Form persönlicher Angriffe auf Staatsanwälte und Staatsanwältinnen.

Und vor allem muss sich ein hochbezahlter Politiker, der sich in einem Interview oder einer Pressekonferenz weinerlich über die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen einer Staatsanwaltschaft beklagt, die Frage gefallen lassen: "Haben Sie dagegen einen Einspruch erhoben? Und wenn nein: warum nicht?" (Clemens Lahner, X.9.2021)