Eine ganze Reihe von Verbrechen und Vergehen wird einem Mann vorgeworfen, der nach eigenem Bekunden nur seinen Sohn sehen wollte. Der Richter glaubt ihm nicht.

Foto: APA / BARBARA GINDL

Wien – Er werde sie "verbrennen" oder ihr einen Messerstich versetzen, wenn sie eine neue Beziehung eingehen sollte. Er werde sie "in den Bauch stechen", wenn er seinen Sohn nicht sehen dürfe. Er werde jemanden anheuern, der ihre Brüder in Syrien verletze. Die Botschaften des 30 Jahre alten Mounaf A. an seine Ex-Partnerin waren recht eindeutig. Dennoch bekennt sich der Syrer vor Richter Johannes Varga zu den zahlreichen Anklagepunkten von gefährlicher Drohung über schwere Nötigung, beharrliche Verfolgung bis hin zu Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt nicht schuldig.

Im März 2020 erwirkte die Frau gegen den Kindsvater ein Betretungsverbot, in dem eindeutig geregelt war, dass er am Wochenende den gemeinsamen Sohn sehen dürfe. A. gibt im Laufe des Verfahrens selbst zu, dass er sich nicht daran gehalten hat, sondern immer wieder bei der Wohnung der Frau aufgetaucht ist.

Zwei Vorstrafen, 22 Registereinträge

Auch das meint die Staatsanwältin, wenn sie im Schlussplädoyer davon spricht, der Angeklagte zeige "eine völlig ablehnende Haltung zu den in unserem Rechtssystem festgelegten Werten". Denn es gehe nicht nur um das ignorierte Betretungsverbot, der im Jahr 2015 nach Österreich gekommene A. hat auch zwei Vorstrafen und gleich 22 Einträge ins elektronische Register der Polizei, betont die Anklägerin.

Im gegenständlichen Fall geht es um den Tatzeitraum November 2020 bis Mai 2021. Der Angeklagte soll seine frühere Partnerin immer wieder unerlaubterweise besucht, sie bedroht und körperlich attackiert haben – ein Vorfall endete für die Frau mit Knochenabsplitterungen in der Hand.

Dass es immer wieder zu Polizeieinsätzen kam, bestätigt auch Nachbarin Stefanie E., die ein Stockwerk unter der Ex-Partnerin des Angeklagten wohnt. Sie bricht allerdings zunächst eine Lanze für A.: "Er hat sich eigentlich sehr liebevoll um die Familie gekümmert", erzählt sie. Sie habe das vom Balkon im Gemeindebau aus beobachten können, gewalttätige Vorfälle habe sie nie wahrgenommen.

Nachbarin kam Bitte um Hilfe nur einmal nach

Auf Nachbohren der Staatsanwältin sagt die 34-jährige Zeugin dann allerdings, die Ex-Partnerin habe eigentlich immer geweint, sobald A. auftauchte. Einmal habe sie selbst die Polizei gerufen: Kinder im Hof hätten darum gebeten, auch die weinende Nachbarin vom Balkon über ihr. "Das habe ich halt dann gemacht", sagt die Zeugin. Und berichtet, die Frau habe öfters zu ihr gesagt: "Bitte, Nachbarin, ruf Polizei", sie habe das bis auf die eine Ausnahme aber nie gemacht. "Die sollen sich das selbst ausmachen", sei ihre Überzeugung gewesen.

A. selbst gibt am dritten und letzten Verhandlungstag zumindest vor, zu wissen, dass er nicht alles richtig gemacht habe. "Ich vermisse meinen Vater, meine Mutter und meine Geschwister in Syrien, mein Sohn ist meine einzige Verwandtschaft", lässt er übersetzen. "Durch den Aufenthalt im Gefängnis verstehe ich die Gesetze besser. Ich bin seit vier Monaten in Untersuchungshaft, ich weiß jetzt, wie ich mich zu benehmen habe", sagt er dem Richter.

Angeklagter spricht von Folter in syrischer Haft

A. schildert auch, er habe in Syrien den Einberufungsbefehl zur Armee verweigert und sei desertiert. Nachdem man ihn erwischt hatte, sei er ins Gefängnis gekommen und gefoltert worden. "Unterhalb des Knies habe ich eine Brandwunde, mein Verteidiger hat die gesehen!", erklärt er. Die Untersuchungshaft bringe die Erinnerungen an die Folter in Syrien wieder hoch, es gehe ihm sehr schlecht, er müsse Tabletten nehmen.

Auf Antrag der Privatbeteiligtenvertreterin der Frau verliest Richter Varga die von der Polizei erstellte Gefährdungsanalyse ausführlich. Die Risikoprognose ist schlecht: A. sei von "Besitzdenken" geprägt und lege "manipulativ-sadistisches Verhalten" an den Tag. Er habe ein "komplett fehlendes Unrechtsbewusstsein", daher bestehe ein "erhebliches Risiko" einer neuerlichen Gewalttat gegen seine Ex-Partnerin.

Familien- oder Strafrecht?

Verteidiger Daniel Weisz plädiert mit seinen Schlussworten dennoch für einen Freispruch oder eine milde Strafe. "In Wahrheit geht es darum, dass familienrechtliche Fälle auf strafrechtliche Ebene gehoben werden, wie das leider sehr oft der Fall ist", argumentiert er. Die Ex-Partnerin hält der Jurist für völlig unglaubwürdig. "Ich wollte nur meinen Sohn sehen", sagt der Angeklagte und bricht in Tränen aus.

Der Richter lässt sich von den Emotionen nicht beeindrucken und verurteilt A. wegen schwerer Nötigung zu 20 Monaten unbedingter Haft, an seine Ex-Partnerin muss er 500 Euro Schmerzengeld zahlen. "Ich glaube Ihnen nicht. Dass die Polizisten und ihre Ex-Partnerin das alles erfinden, glaube ich nicht", stellt Varga in seiner Urteilsbegründung klar. A. nimmt sich Bedenkzeit, die Staatsanwältin meldet Berufung gegen die Strafhöhe an, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig.

Als er vom Justizwachebeamten aus dem Verhandlungssaal geführt wird, dreht der Angeklagte sich noch einmal um und sagt etwas zur Dolmetscherin. "Er sagt, wenn ihm etwas zustößt, bedankt er sich bei Ihnen, dass er seinen Sohn nicht mehr sehen konnte", teilt die dem Richter mit. (Michael Möseneder, 16.9.2021)