Der aktuelle Wahlkampf in Deutschland ist ein wahres Feuerwerk der Emotionen und des Einfallsreichtums. Drei Personen stehen sich im Wettkampf um das Kanzleramt beim großen Nachbarn gegenüber, die wortgewandter und unangepasster gar nicht sein könnten. Sie wähnen sich bei der Lektüre dieser Zeilen im falschen Film? Da sind Sie nicht alleine. Alle drei Kandidaten sind - welch ein Wunder - für Maßnahmen gegen den Klimawandel und natürlich - ganz etwas Neues - stramm gegen Rechtspopulismus. Vergessen wir in diesem Kontext den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der für die CDU das Bollwerk gegen die AfD darstellen will. Betrachtet man die Fernsehdiskussionen der drei aussichtsreichsten Politiker um das Kanzleramt in der Bundesrepublik Deutschland, so fällt einem auf, dass die Bewerber beliebig austauschbar wären. Es existiert in ihren Profilen kaum ein Spezifikum, welches die Kandidaten voneinander unterscheiden würde.

Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet
Foto: EPA/Michael Kappeler

Emotionsregulation und Anpassung

Alle sind, so wie es scheint, am stärksten mit ihrer Emotionsregulation und Anpassung beschäftigt. Nur bitte kein falsches Wort oder gar eine unpassende mimische Entgleisung, die von den Medien - siehe die "Case Study" des armen Armin Laschet - falsch gedeutet werden könnten. Stellen Sie sich in einer mentalen Simulation den fiktiven Wettkampf zwischen Markus Söder, Robert Habeck und Kevin Kühnert vor. Höchstwahrscheinlich wäre es mit den genannten Proponenten etwas härter zur Sache gegangen. Wir dürfen uns über eine Selektion der Mediocren erfreuen, die, so wie es momentan aussieht, nicht nur in Deutschland stattfindet, sondern sich in der Politik sowie der Wirtschaft immer mehr ausdehnen dürfte. Nicht die Kreativsten und Mutigsten setzen sich durch, nein, es sind die größten Taktierer und Profiteure von Hahnenkämpfen zwischen Alphatieren. Eine neue Ausformung der sozial-emotionalen Intelligenz, die für den Fortschritt unserer Demokratie und Gesellschaft nicht unbedingt förderlich sein muss.

Late Night Berlin

Manager Mikado

Das Phänomen des strategischen Mikado-Spiels hat sich schon längst in der Wirtschaft breit gemacht. Anstatt über Persönlichkeit, Befähigung und Leistungsbereitschaft zu reden werden sozial erwünschte Werte hochgehalten, welche es anderen leicht machen, diese in taktisch klugen Momenten zu ihren Gunsten auszunutzen. Bei den Grünen hat beispielweise das diplomatische Ziehen der "Geschlechterkarte" zur Auswahl von Annalena Charlotte Alma Baerbock geführt. Hier beißt sich die sprichwörtliche Katze in den eigenen Schwanz. Die französische Schriftstellerin, Philosophin und Feministin, Simone de Beauvoir, wäre "pas très content".

Ebenso ist Armin Laschet aus den falschen Motiven Kanzlerkandidat für die CDU/CSU geworden. Um den Paradebayern Markus Söder, Sympathieträger hin oder her, zu verhindern, entschied man sich für den kleinsten gemeinsamen Nenner. Die Konservativen könnten am 26. September einen sehr hohen Preis dafür zahlen. Der bis dato Spitzenreiter der Medien, Olaf Scholz, ist hier um nichts besser. Langsam aber diszipliniert ist der eher Farblose zum Parteichef geworden. Ja keinen Fehler machen und den Kopf nicht zu sehr herausstrecken, dürfte die Devise des Erfolgs der Zukunft sein.

Eines der bekanntesten japanischen Sprichwörter besagt in diesem Zusammenhang treffend "Der vorstehende Nagel wird eingehämmert". Meinungsvielfallt ist schön, aber nur bitte nicht gegen scheinbare Konventionen. Am Ende leiden viele unter der mangelnden Vielfalt, die sonst so hoch gehalten wird und die für ein Fortkommen der Gemeinschaft auf allen Ebenen essentiell wäre. Dies gilt auch für größere Unternehmen und Konzerne. Alle reden von Disruption und Innovation, doch zum Schluss kommt derjenige als CEO heraus, der sich keine gröberen Schnitzer geleistet hat.

Die Regentschaft der Mediocren

Das Resultat des Auswahlprozesses der "Durchschnittlichen" sehen wir bei der Bewältigung der Corona-Krise, im Bildungs- wie dem Gesundheitssystem und auf vielen anderen Ebenen. Alle schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu. In Österreich lauten die Matches Bund und Bundeshauptstadt, Schüler und der Bildungsminister, Handelsverband und Wirtschaftsministerin und viele mehr. Am Ende wundert man sich, dass Menschen, um irgendeine Richtschnur zu bekommen, in den Extremismus und in Verschwörungstheorien abrutschen. Anscheinend braucht es nicht nur auf dem physiologischen Gebiet "Überreaktionen", um den Status quo zu verändern. (Daniel Witzeling, 17.9.2019)

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