Der 46-jährige Deutsche muss sich nach einem Gewaltausbruch im Skiurlaub wegen versuchten Mordes vor dem Landesgericht Salzburg verantworten.

Foto: APA/Barbara Gindl

Der Angeklagte vor Prozessbeginn mit seinem Verteidiger.

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"Ich schäme mich dafür, dass ich heute hier sitze", sagt ein 46-jähriger Deutscher am Donnerstag bei seiner Befragung im Schwurgerichtssaal des Salzburger Landesgerichts. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord, absichtliche schwere Körperverletzung und versuchte schwere Körperverletzung vor. Der Unternehmer soll im März 2019 beim Après-Ski im Urlaub in Flachau betrunken mehrere Männer schwer verletzt haben. Einem schlug er so fest ins Gesicht, dass dieser zu Boden ging. Dann soll er mit einem Skistecken mehrmals auf sein Gesicht und Kopf eingestochen und damit versucht haben, ihn zu töten, schildert der Staatsanwalt. Dem Opfer gelang es, mehrmals auszuweichen. Er wurde aber dennoch am Kopf getroffen und verwundet.

Ein Kollege sei dem Mann zur Hilfe geeilt und habe ebenfalls einen Faustschlag ins Gesicht kassiert. Ihm wurde die Nase gebrochen. "Ohne die Hilfeleistung hätte er weitere Stöße durchgeführt", betont der Staatsanwalt. Mit Faustschlägen ins Gesicht soll der Angeklagte auch noch drei weitere Männer schwer verletzt haben. Wie sich später herausstellte, waren mehrere Opfer eine Gruppe von Polizisten außer Dienst, die selbst auf Skiausflug waren.

Jagatee unterschätzt

"Die Verletzungen kommen von mir, obwohl ich mich nicht mehr erinnere", erklärt der Angeklagte. Er wisse schon, dass es eine körperliche Auseinandersetzung gegeben hat. "Aber ich hab das so verdreht, als wenn ich angegriffen wurde", erklärt er Richterin Ilona Schalwich-Mosez. Er trinke sonst nie Alkohol. "Mir hat der Jagatee einfach gut geschmeckt. Ich hab das unterschätzt, dass ich, wenn ich mehr trinke, die Kontrolle verliere", sagt der durchtrainierte, große Mann.

Seine Erinnerungen an den Vorfall sind sehr lückenhaft. "Unten wurde ich angesprochen von Männern, warum ich ihnen die Nase gebrochen habe. Ich wusste nicht, dass ich das war", sagt der Skiurlauber, der wegen des Vorfalls in Untersuchungshaft saß, aber nach einer Beschwerde wieder enthaftet wurde. "Ich war einfach nicht Herr der Lage." Er wisse auch nicht, wie er von der Polizeistation dann ins Hotel gekommen sei.

"Dafür, dass Sie nicht Herr der Lage waren, waren Sie sehr effektiv", meint die Richterin. "Sie haben niemanden an der Schulter verletzt, sondern allen mitten ins Gesicht geschlagen." Auf mehrere Fragen der Richterin und des Staatsanwalts kommt vom Angeklagten nur: "Ich erinnere mich an den Vorfall nicht." Schalwich-Mosez erklärt: "Sie schildern uns inselartige Erinnerungslücken. Es wird immer seltsamer. Das spricht wohl eher fürs Verdrängen."

Attacke im Pistenbully

Als Zeuge wird ein Türsteher der Après-Ski-Bar befragt. Er sei erst dazugestoßen, "da hat schon der Erste aus dem Mund geblutet". Später sei der Türsteher auch mit der Pistenraupe mitgefahren, in der der Angeklagte dann die Gruppe Polizisten traf. Er sei dafür zuständig, dass keiner der Betrunkenen die Tür aufmache und aus der Pistenraupe fliege, erklärt der Zeuge. "Aus dem Nichts hat er angefangen, auf ihn einzuschlagen", schildert der Security-Mitarbeiter die Attacke im Pistenbully. Unten angekommen habe der Angeklagte dann weiter gewütet, und der Türsteher habe den dort wartenden Taxifahrern gesagt, sie sollen die Polizei rufen.

Der Verteidiger betont, dass sein Mandant knapp zwei Promille Alkohol im Blut hatte. Seine Zurechnungsfähigkeit sei wesentlich beeinträchtigt gewesen. Der Verteidiger verweist auf zahlreiche Widersprüche im Akt. Auch die Gruppe der Polizisten sei betrunken gewesen. Es habe gegenseitige Beschimpfungen gegeben. "So, wie der Staatsanwalt das sagt, dass die Aggression nur vom Angeklagten ausging, so klar ist das nicht", sagt sein Anwalt.

Der Staatsanwalt erklärt den Geschworenen, es brauche keine Absicht für versuchten Mord. "Er muss es ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, dass er einen Menschen tötet", sagt der Staatsanwalt. Die Brutalität, mit der der Angeklagte vorgegangen sei und auf den Mann eingestochen habe, sei geeignet gewesen, einen Menschen zu töten. Die Geschworenen sprachen den Angeklagten einmal wegen versuchter schwerer Körperverletzung, einmal wegen vollendeter schwerer Körperverletzung und dreimal wegen Körperverletzung für schuldig. Er erhielt 18 Monate bedingte Haft. Der Beschuldigte war damit einverstanden, er verzichtete auf Rechtsmittel. Staatsanwalt Roland Finster hatte versuchten Mord, absichtlich schwere Körperverletzung und versuchte schwere Körperverletzung angeklagt. Die Anklagebehörde gab keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Stefanie Ruep, 16.9.2021)