Diese Spuren wurden auf ein Alter von mindestens 169.000 Jahren datiert.
Foto: Zhang et al., Science Bulletin 2021

Ein besonderes Fundstück untersuchte ein internationales Forschungsteam rund um David Zhang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Guangzhou: Die Fuß- und Fingerabdrücke, die sich im Gestein erhalten haben, wurden auf ein Alter von etwa 169.000 bis 226.000 Jahren datiert. Damit sind sie die bisher ältesten menschlichen Spuren auf dem tibetischen Hochplateau, über 4.000 Meter über dem Meeresspiegel.

Ähnlich alte Skelette gibt es hier bisher erst wenige, und erst vor ein paar Jahren wurden Überreste eines Denisova-Menschen analysiert, die ein Mönch 1980 im Hochland von Tibet entdeckte. Der Kieferknochen mit zwei Zähnen ist mindestens 160.000 Jahre alt. Die neuen Spuren könnten also neben Homo sapiens auch auf Denisova-Menschen zurückzuführen sein.

Kalk an heißen Quellen

Zustande gekommen sind sie wahrscheinlich folgendermaßen: Zwei Personen – es dürfte sich angesichts der Größe um Kinder gehandelt haben – drückten ihre Hände und Füße in den nachgiebigen Stein, der sich in der Nähe einer heute versiegten Thermalquelle befand. Das zunächst weiche Material lithifizierte mit der Zeit, es wurde also zu festem Gestein. Dabei handelt es sich um Travertin, einen hellen Kalkstein.

Das Profil der menschlichen Abdrücke, bei denen es sich um die älteste prähistorische Kunst handeln könnte, die bisher entdeckt wurde.
Bild: Cornell University

Fünf Hand- und fünf Fußabdrücke haben sich erhalten, relativ sorgsam in Reihen angeordnet. Das Forschungsteam vermutet, dass die Fußabdrücke von einem etwa siebenjährigen Kind, die Handabdrücke von einem rund zwölfjährigen Kind stammen.

Dabei handle es sich nicht um zufällig zustande gekommene Abdrücke, sagt der ebenfalls an der Forschungsarbeit beteiligte Archäologe Thomas Urban von der Cornell University im US-amerikanischen Bundesstaat New York. Es handelte sich damals um eine schräge, glatte Oberfläche, und die Anordnung sieht aus Forscherperspektive nicht aus, als seien die Personen gestürzt. Vermutlich wurden die Hände und Füße also absichtlich ins weiche Material gedrückt.

Spielerische Kunst

Aber reicht dies bereits, um den Fund als Kunst zu kategorisieren? Damit würde es sich jedenfalls um die älteste prähistorische Darstellung von Kunst handeln, schreibt das Forschungsteam: Der Begriff der "Parietal-Kunst" (art pariétal) bezieht sich zumeist auf Höhlenmalereien, und wenn man diese mit dem tibetischen Fund vergleicht, ist der Zeitunterschied groß. Die älteste Wandkunst, die auf der indonesischen Insel Sulawesi und in der El-Castillo-Höhle in Spanien gefunden wurde, ist jeweils 40.000 bis 45.000 Jahre alt und damit wesentlich jünger. Dabei handelt es sich ebenfalls um Handabdrücke.

"Verschiedene Lager haben spezifische Definitionen von Kunst, die verschiedene Kriterien in den Vordergrund stellen", sagt Urban. Er selbst ist der Ansicht, dass strenge Kategorien einschränkend wirken und das Nachdenken über kreatives Verhalten in größerem Kontext eher erschweren. Die tibetischen Abdrücke seien jedenfalls "nicht unabsichtlich platziert" worden. Den Archäologen lassen sie an "etwas Spielerisches, Kreatives und möglicherweise auch Symbolisches" denken. In jedem Fall handelt es sich um beeindruckend alte Spuren von jungen Menschen. Und sie zeigen, dass Kinder – wie wohl auch die eine oder andere erwachsene Person – schon seit hunderttausenden Jahren gern im Schlamm spielen. (sic, 17.9.2021)