Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Museen in Dresden: "Warum diskriminierende Titel tradieren, die nicht einmal von den Schöpfern der Kunstwerke stammen?"

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Wer künftig die Sammlungen der Staatlichen Museen in Dresden (SDK) besucht, wird auf den Schautafeln viele Sternchen bewundern können. Wie sächsische Tourismusstellen bekanntgegeben haben, wurden die Schausammlungen u.a. Augusts des Starken seit Anfang 2020 nach "rassistischen und anderweitig diskriminierenden Begriffen" durchforstet. Bis dato hat man die Titel von 143 Kunstwerken umbenannt. Ein mit Edelsteinen verbrämtes Schnitzwerk aus Birnenholz, der 60 Zentimeter hohe "Mohr mit Smaragdstufe" (1727) des Goldschmiedes Johann Melchior Dinglinger, wird künftig wie folgt heißen: "**** mit Smaragdstufe".

Weitere prägnante Beispiele betreffen Kostbarkeiten, die bis jetzt herabsetzende Begriffe wie "Eingeborener", "Eskimo" oder "Zigeuner" im Titel geführt haben. Eine "Schwarze Venus" aus Bronze heißt nunmehr "Afrikanerin mit Spiegel". Ein niederländisches Gemälde aus dem 17. Jahrhundert, bisher unter dem Titel "Hund, Zwerg und Knabe" geläufig, wird fortan unter der deutlich gewundeneren Bezeichnung "Hund, kleinwüchsiger Mann und Junge" im Katalog geführt.

Sorge um Gespött

Die Daphne-Datenbank der SDK umfasst nicht weniger als 1,5 Millionen Objekte. An der vielfältigen Änderung der Nomenklatur wurde bereits heftig Anstoß genommen. Die Partei AfD, auf deren Nachfrage hin die Neubenennungswelle überhaupt erst publik wurde, sprach von "linker Bilderstürmerei". Die "Bild"-Zeitung forderte, mit plötzlicher Sorge ums Barockerbe: "Schluss mit der Zensur". Vereinzelte Stimmen auf Twitter ergingen sich in Mutmaßungen über "faschistische Reinheitsfantasien". Der Historiker Michael Wolffsohn glaubt sogar, die "eigentlich gute Absicht" würde von den "Umbenennern vom Dienst zum Gespött gemacht".

Aufhorchen ließ "Zwinger"-Direktorin Marion Ackermann mit der Erläuterung der von ihr und ihren Mitarbeiterinnen vorgenommen Maßnahmen. Der Umgang mit sensiblen Titeln würde dem jeweiligen Kontext angepasst.

Zweierlei Titelwahl

Eindeutig diskriminierende Titel habe man mit Asterisken (Sternchen) gekennzeichnet. Historisch Hartgesottenere können per Klick den abgelegten Titel anwählen. Andere, von ihrer Entstehungszeit geprägte Titel würden wiederum hinter Klammern oder unter Anführungszeichen gesetzt. Mitarbeiterinnen hätten, etwa aus Anlass von Führungen durch die Sammlungsbestände im Grünen Gewölbe, im Albertinum, im Kupferstichkabinett et cetera, bei der Artikulation der Titel weitgehend freie Hand.

Darüber hinaus, so Ackermann in der "Berliner Zeitung", seien Beschriftungen von Kunstwerken ohnedies nur die oftmals verdorbenen Früchte eines nurmehr noch geschichtlich verständlichen Fleißes. Angebracht hätten sie Museumsleute, Sammler oder Kunsthändler, in den seltensten Fällen die Urheber selbst.

Ackermann: "Wenn es kein vom Künstler vergebener Originaltitel ist, gibt es doch keinen Grund, einen diskriminierenden Titel zu tradieren, den vielleicht in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Museumsmitarbeiter vergeben hat." (Ronald Pohl, 16.9.2021)