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Das neue Gesicht Großbritanniens im Ausland gehört Liz Truss: Die ausgewiesene Brexit-Anhängerin übernimmt das Amt der Außenministerin.

Foto: AP Photo/Alberto Pezzali

Nach den Krisen der letzten anderthalb Jahre will Boris Johnson jetzt den Blick nach vorn richten. Der britische Premierminister hat eine weitreichende Kabinettsumbildung vorgenommen und sein Regierungsteam für die Zeit nach Corona aufgestellt.

"Brutaler als erwartet", bezeichnete die Times das Revirement, das, wie ein Sprecher der Downing Street erklärte, "ein starkes und vereintes Team für den Wiederaufbau nach der Pandemie" liefern soll.

Gerüchte über eine imminente Kabinettsumstellung gab es schon seit Wochen. Und wie erwartet traf es den Außenminister Dominic Raab, der die Afghanistan-Krise verpasst hatte. Sonnenbadend war er auf einem Strand auf der griechischen Insel Kreta gewesen, während die Taliban Kabul einnahmen. Als dann noch herauskam, dass Raab sich geweigert hatte, seinen afghanischen Amtskollegen anzurufen, um die Evakuierung von Ortskräften zu erleichtern, wurden die Forderungen nach seinem Rücktritt immer lauter. Feuern wollte Johnson ihn nicht, doch degradiert hat er ihn: Dominic Raab wurde zum Justizminister ernannt. Zur Versüßung der doch bitteren Pille bekam der 47-Jährige noch den Titel des Vizepremiers dazu.

Wirtschaftsinteressen

Seine Nachfolgerin im Amt wurde Liz Truss. Die stramm rechts positionierte Politikerin ist bei der Parteibasis sehr beliebt und hat schon seit neun Jahren Erfahrungen als Regierungsmitglied sammeln können.

In ihrer vergangenen Rolle als Ministerin für internationalen Handel hat sie eine gute Figur gemacht. In ihrer neuen Position als Chefdiplomatin will sie die britische Außenpolitik an den ökonomischen Interessen des Landes ausrichten.

Zudem möchte sie das Entwicklungshilfebudget nutzen, um verstärkt britische Exporte zu fördern. In der China-Politik ist sie mehr Falke als Premier Johnson und warnt, "strategisch abhängig von China" zu werden.

Teilweise überraschend

Johnson wurde oft nachgesagt, dass er persönlichen Konfrontationen aus dem Weg geht. Bei diesem Umbau stellte er unter Beweis, wie rücksichtslos er vorgehen kann, und feuerte drei Kabinettskollegen: Beim Erziehungsminister Gavin Williamson hat das niemanden überrascht, denn der ehemalige parlamentarische Geschäftsführer der Konservativen hat sich während der Corona-Krise als inkompetent erwiesen.

Überraschend kam dagegen die Entlassung des Wohnungsbauministers Robert Jenrick, der immer erzloyal zu Johnson gewesen war, und des Justizministers Robert Buckland, der neben seiner Loyalität zum Premier auch noch gute Arbeit geleistet hatte. Doch sie mussten Platz machen für einerseits Raab und andererseits für Michael Gove, der sich um das für den Wiederaufbau nach Corona wichtige Portfolio des Wohnungsbaus kümmern wird.

Im Amt blieben der Finanzminister Rishi Sunak und die Innenministerin Priti Patel. Befördert wurde Nadhim Zahawi, der das Ministerium für Erziehung übernahm. Zahawi war zuvor als Minister für die Impfkampagne zuständig und wurde für seine erfolgreiche Leistung belohnt.

Kritikerin der BBC

Neu in die Regierung stieg Nadine Dorries auf, die zur Kulturministerin ernannt wurde. Sie ist eine ausgewiesene Kritikerin der Rundfunkanstalt BBC, die sie für linkslastig und übermächtig hält. In den im nächsten Jahr beginnenden Verhandlungen über einen neuen Rundfunkvertrag wird Dorries hart auftreten wollen.

Wie schon bei seiner ersten Kabinettsbildung – als Boris Johnson 2019 als frischgebackener Premier ins Amt kam – sind auch jetzt sämtliche Kollegen sogenannte Brexiteers.

Zwar hatte Liz Truss während der Referendumskampagne für einen Verbleib in der EU gestritten, doch seit der Brexit-Entscheidung hat sie sich zum Hardliner für den nationalen Alleingang aufgeschwungen. An dem konsequenten Brexit-Kurs der britischen Regierung wird sich also nichts ändern.

Außenpolitisch ist eine stärker an den USA und der englischsprachigen Welt angelehnte Ausrichtung zu erwarten, wie sie sich ja schon über Nacht manifestiert hatte: US-Präsident Joe Biden, der australische Ministerpräsident Scott Morrison und Boris Johnson verkündeten am späten Mittwochabend eine verstärkte militärische Zusammenarbeit. Künftig werden die USA und das Königreich atombetriebene U-Boote für Australien liefern. (Jochen Wittmann aus London, 16.9.2021)