Foto: Agroforst / Fibl

In Agroforsten werden Land- und Forstwirtschaft kombiniert – oder um es verkürzt zu sagen: Man pflanzt Bäume auf Feldern. So simpel das klingt, so viele Vorteile bringt das. 20 Millionen Hektar Europas werden als Agroforst bewirtschaftet. Meist stehen Bäume und Sträucher auf Nutzkulturflächen. Ein kleinerer Anteil sind sogenannte silvopastorale Systeme, in denen Nutztiere zwischen Bäumen weiden. Ein größerer die traditionellen Agroforste, die sich über den gesamten Kontinent verteilen – von Portugal, wo Schafe zwischen Korkeichen grasen, über Streuobstwiesen in Österreich und Hutewälder in Deutschland bis zu borealen Nadelwäldern in Nordeuropa, in denen Rentiere gehalten werden.

Modernen Agroforsten geht eine detaillierte Planung voraus. Das übernehmen Menschen wie Johanna Schoop. Die Umweltingenieurin begleitet für die Schweizer landwirtschaftliche Beratungsstelle Agridea seit Jahren Landwirte bei der Etablierung von Agroforsten. "Wenn der Boden tiefgründig genug ist und die Pflanzabstände richtig geplant sind, gibt es wenige Kombinationen aus Bäumen und Nutzkulturen, die nicht funktionieren", sagt sie. Ein modernes Beispiel sei das Alley-Cropping. Dabei stehen Reihen von Bäumen oder Büschen auf dem Acker, etwa Walnussbäume im Weizenfeld. So hat man doppelt Ertrag, kann Weizen, Walnüsse und nach einigen Jahrzehnten auch Walnussholz vermarkten. Abgesehen davon bieten Agroforste Vorteile, deren Wert schwer in Zahlen zu gießen ist. Vor allem in Bezug auf Klimaveränderungen, die die Landwirtschaft schon heute bedrängen.

Der positive Effekt von Bäumen und Sträuchern auf Ackerflächen wird oftmals unterschätzt.
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Denn Dürreereignisse werden sich in Europa intensivieren, Überschwemmungen häufiger und heftiger auftreten. Das beeinflusst Vegetationsperioden und erhöht den Druck auf landwirtschaftliche Flächen. Was das für Österreich bedeutet, zeigte nicht zuletzt diesen Sommer. Unwetter setzten Äcker unter Wasser, zerstörten in Wolfsberg oder Deutschlandsberg ganze Mais- und Kartoffelernten. Die Erträge von Weizen in Ostösterreich sind ob der Dürre sogar auf historisch niedrigem Stand. Wohin das führt? Eine Studie von Ages, Boku, dem Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Wasserwirtschaft zeigt: Bei einer Abnahme des Jahresniederschlags von 20 Prozent und einem Temperaturanstieg von 3,5 Grad würde sich Österreich 2050 nicht mehr selbst mit essenziellen Lebensmitteln wie Weizen oder Kartoffeln versorgen können.

Bessere Böden für Österreich

Ein Lösungsansatz heißt Bodenverbesserung. Kaum verdichteter Boden mit großen Poren kann Wasser aufnehmen, halten und auch in Dürrephasen an Pflanzen abgeben. Agroforst kann dabei helfen, solche Böden aufzubauen. "Die zusätzliche Biomasse – also Blätter oder Feinwurzeln, die im Boden absterben – führen zu Humusbildung", wodurch der Boden Wasser besser speichern könne, erklärt Umweltingenieurin Schoop. Ein Nachteil von Bäumen ist, dass sie mit Feldfrüchten um Wasser und Nährstoffe konkurrieren.

Deshalb erzieht man die Bäume, indem man ihre feinen Seitenwurzeln beschneidet, dazu, tiefe Wurzeln zu bilden und sich so Wasser und Nährstoffe aus der Tiefe zu holen. Entlang dieser Tiefwurzeln kann wiederum Wasser versickern, was auch gegen Erosion hilft. Zudem schützen Hecken und Bäume Feldfrüchte vor Hitze und Wind. Weiterer Vorteil: gesteigerte Biodiversität. Unter der Erde leben mehr Regenwürmer, auf dem Feld dienen Bäume als Korridore und Aufenthaltsräume für Insekten und Säugetiere.

Frankreich ist Vor- und Spitzenreiter im Bereich Agroforst. 2016 wurde ein nationaler Aktionsplan präsentiert. Auch in Deutschland und der Schweiz laufen Forschungs- und Etablierungsprojekte. Das österreichische Landwirtschaftsministerium teilt zwar mit, dass "die Wirkungen für das Kleinklima und den lokalen Wasserhaushalt, die Erhöhung der Artenvielfalt und der Schutz gegen Wassererosion positiv zu beurteilen sind". Dennoch ist das System kaum verbreitet. "Ich kenne 50 Landwirte in Österreich, die Agroforst betreiben", sagt Zeno Piatti. Er ist Obmann der Arge Agroforst, einer Vereinigung aus Landwirten, Ökologen und Forstwissenschaftern, die ein Ziel eint: Agroforst in Österreich zu etablieren.

Das Problem liegt im Detail. Im Forstgesetz von 1975 steht sinngemäß: Pflanzt man Bäume ins Feld, kann es sein, dass die Fläche rechtlich zu Wald wird. Das hat für Landwirte zwei Nachteile: Der Wert wird vermindert und die Rodung der Bäume verunmöglicht – für unbegrenzte Zeit. Ein Risiko, das viele nicht eingehen möchten.

Ausnahmen gibt es für Christbaumkulturen und Bäume, die nach höchstens 30 Jahren gerodet werden. Bekanntestes Beispiel sind Pappeln, aber auch für Wildkirschen, Robinien, Walnüsse und Edelkastanien bestehen Ausnahmen. Allerdings darf man sie nur für die Fruchtnutzung pflanzen. Einen Walnussbaum nach Jahrzehnten zu roden und das Holz zu vermarkten, wie in Agroforsten üblich? Unmöglich. "Das sind alles nur Zwischenlösungen", sagt Piatti. "Wenn wir Agroforst in Österreich etablieren wollen, müssen wir das Forstgesetz ändern." Ein einfacher Satz, wonach Agroforst von der Waldwerdung ausgeschlossen sei, würde den Landwirten Sicherheit bringen.

Finanzierungsfrage

Aus dem Ministerium heißt es dazu, dass Regelungen im Rahmen einer etwaigen Novelle des Forstgesetzes "diskutiert" werden, aber bereits jetzt "Bestimmungen für bestimmte Agroforstsysteme im Forstgesetz enthalten sind".

Doch nicht nur rechtlich, auch finanziell stehen Landwirte mit Agroforst anfangs schlecht da. Stehen mehr als 100 Bäume pro Hektar auf dem Feld, bekommen sie dafür keine Direktzahlungen, da die Fläche nicht länger als Acker klassifiziert wird. Anfangs sind die Investitionen für Baumpflanzungen hoch, die Erträge kommen erst später.

Nicht nur neben, auch auf den Äckern sollen mehr Bäume wachsen.
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Aus dem Österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (Öpul) bekommt ein Landwirt pro Baum oder Strauch, den er erhält, rund acht Euro jährlich. Neupflanzungen werden nicht gefördert. "Wir fordern nicht mehr Geld oder Anreize. Wir wollen nur gleichgestellt werden und Erfahrungswerte sammeln", sagt Piatti.

Seine große Hoffnung ist deshalb die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. In Brüssel ist das Thema nämlich längst angekommen. Die Kommission gibt Ziele und Indikatoren vor, die Nationalstaaten erhalten Spielraum zur Umsetzung mit positiven Folgen für das Klima.

Noch Ende dieses Jahres wird Elisabeth Köstingers (ÖVP) Ministerium einen Strategieplan mit Maßnahmen an die Kommission schicken. Piatti wünscht sich darin Zugeständnisse für Agroforste und eine Flächendefinition, mit der Direktzahlungen für derartig genutzte Flächen möglich wären.

CO2-Einsparungen

Seine Hoffnungen könnten teils erfüllt werden: Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es, man könne sich größeren Spielraum hinsichtlich der Maximalanzahl an Bäumen vorstellen. Auch Förderungen werden diskutiert, allerdings nicht im Rahmen von Öpul. Dabei hat das System Effekte, die über die Äcker hinausgehen. "Agroforste können echte Kohlenstoffsenken sein", weiß Mareike Jäger. Die Agraringenieurin forscht am Institut für Umwelt und natürliche Ressourcen der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. "Ist ein Weizenfeld abgereift, etwa im Juli, findet dort keine Fotosynthese mehr statt", erklärt sie. Bäume können aber auch im Sommer Fotosynthese betreiben und CO2 in ihre Biomasse einspeichern.

Gemeinsam mit Kollegen aus ganz Europa hat Jäger hochgerechnet, in welchem Ausmaß das passiert. Würde man rund neun Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Europas auf Agroforst umstellen, könnten so zwischen einem und 43 Prozent der Treibhausgasemissionen der gesamten landwirtschaftlichen Produktion eingespeichert werden.

Die hohe Schwankungsbreite ergibt sich aus den unterschiedlichen Systemen in Europa. Ein Heckenstreifen kann weniger Kohlenstoff speichern als ein Korkeichenwald. Als Faustregel gelte: "Ein Obstbaum in einem Agroforstsystem speichert in seinem Leben eine Tonne Kohlenstoff ein. Die Kohlenstoffeinspeicherung in den Boden, die durch Humusaufbau geschieht, wurde in dem Projekt nicht eingerechnet.

Landwirte spüren Dringlichkeit

In der Schweiz brauchte es jahrelange Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit, um Agroforst zu etablieren, erzählt Umweltingenieurin Johanna Schoop. Heute rufen sie aber wöchentlich mehrere Landwirte an, die ihre Äcker an das veränderte Klima anpassen wollen. "Gerade die Landwirte, die die Klimafolgen am stärksten spüren, haben begriffen, dass sie etwas tun müssen", erzählt sie. Doch damit, Bäume auf Äcker zu pflanzen, ist es nicht getan. Es braucht Landwirte, die mit den Bäumen arbeiten wollen. In Österreich gibt es davon derzeit nur eine Handvoll. Einer davon heißt Christian Weinbub.

"Bei uns ist die Agrarlandschaft sehr ausgeräumt. Wir haben zuletzt stark unter der Trockenheit gelitten."
Christian Weinbub, Biobauer

"In unserer Gegend ist die Agrarlandschaft sehr ausgeräumt. Fakt ist aber: Wir haben in den letzten Jahren unter der Trockenheit gelitten", erzählt er. Auf seinem Betrieb in Windpassing im Weinviertel baut der Biolandwirt unter anderem Kräuter, Winterweizen und Erdbeeren an. Seit Oktober 2020 stehen auf seinem Erdbeerfeld 70 junge Walnussbäume. Gezahlt und gesetzt hat er sie selbst. Geplant wurde seine Anlage im Zuge eines Projekts des Forschungsinstituts für biologischen Landbau, bei dem Agroforst-Expertinnen sechs Pionierbetriebe begleiten. Weinbub hofft, damit das Mikroklima zu beeinflussen. So werden die Walnussbäume Schatten spenden und den Wind abschwächen, der über die Felder zieht. Außerdem könne er bald Nüsse und in einigen Jahrzehnten auch Holz verkaufen.

Schon vor 20 Jahren stieß Christian Weinbub auf das Konzept Agroforst. Die ersten Schritte setzte er dennoch erst im Zuge des Projekts. Gute Planung sei alles. Bäume nutzen auf seinen Feldern etwa zehn Prozent der Fläche. Sie stehen in drei Reihen mit 37 Meter Abstand. Werden die Stämme dicker, kann er mit Maschinen den Acker noch immer bearbeiten. Würden die Baumreihen zu Wald werden, könne er damit auch leben. "Bei uns heißt es schon immer: Der Wald zieht den Regen an." Und mehr Niederschlag könne die Gegend schließlich gut gebrauchen.

Sein Agroforst bleibt vorerst eine Randerscheinung. Viele Landwirte sind durch die hohen Etablierungskosten, die späte Kapitalisierung des Holzes, den Mehraufwand und rechtliche Unsicherheiten abgeschreckt. Dabei wäre der Schritt überfällig. "Mit den klimatischen Veränderungen, die uns bevorstehen, werden wir um das Bäumepflanzen nicht herumkommen. Und wo sollen sie sonst hin als auf die Äcker?", fragt Piatti. Erst wenn die Rahmenbedingungen passen, können Landwirte Erfahrungen sammeln und Agroforste auch in Österreich Wurzeln schlagen. (Laura Anninger, 19.9.2021)