Frankreichs Außenministerin Florence Parly und Bernard Émie, Leiter des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE, informierten am Donnerstag in einer Pressekonferenz über die Militäroperation, die zum Tod des Jihadistenführers Adnan Abu Walid al-Sahrawi geführt hatte.

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Etwas Besseres hätte den "Terrorjägern" nicht passieren können. Französischen Spezialkräften sei es gelungen, den Chef des "Islamischen Staates in der Sahara-Provinz", Adnan Abu Walid al-Sahrawi, zu "neutralisieren", gab Staatspräsident Emmanuel Macron am Mittwochabend über Twitter bekannt: "Wir haben einen weiteren bedeutenden Erfolg in unserem Kampf gegen den Terror in der Sahelzone errungen."

Wann und wo der Jihadistenchef, der unter anderem für den Tod von sechs französischen humanitären Helfern und vier US-Soldaten verantwortlich gemacht wird, den Terrorjägern in die Hände fiel, gab Macron indessen nicht bekannt. Weswegen der Verdacht geäußert wurde, Al-Sahrawi sei womöglich schon früher getötet, sein Tod aber erst jetzt mitgeteilt worden. Zur Bekanntgabe des seltenen Erfolgs der Spezialkräfte konnte es keinen günstigeren Zeitpunkt als jetzt geben: Noch nie befanden sich die "Terrorjäger" unter größerem Druck.

Unerfüllbare Aufträge

20 Jahre ist es her, dass die US-Regierung nach dem Anschlag auf das New Yorker World Trade Center ihren "Krieg gegen den Terror" erklärte: In dessen Verlauf kam es allein in Afrika zu mehr als 6.000 Terroranschlägen mit weit über 10.000 Toten. Statt an Zahl und Brutalität abzunehmen, wurden die Umtriebe immer blutiger: Derzeit fallen in Afrika monatlich mehr Menschen dem "Terror" zum Opfer als je zuvor.

Als die US-Streitkräfte mit ihrem Abzug aus Afghanistan die Konsequenzen aus ihrem Scheitern zogen, kam in Westafrika die Furcht auf, dass Staaten wie Mali dasselbe Schicksal blühen könnte: Bereits im Juli kündigte Macron einen Teilabzug der französischen Schutztruppe "Barkhane" in der Sahelzone an. Nicht, weil sie ihre Mission inzwischen erfüllt hat. Sondern weil sich ihr Auftrag immer deutlicher als unerfüllbar erweist. Donnerstagabend traf sich Angela Merkel zu ihrem letzten gemeinsamen Abendessen als Kanzlerin mit ihrem französischen Freund im Élysée-Palast: Die Lage in der westafrikanischen Sahelzone soll ganz oben auf dem Menü stehen.

Deutsche Beteiligung

Macron macht aus seiner Überzeugung keinen Hehl, dass sich Deutschland am "Antiterrorkampf" in Westafrika stärker beteiligen muss. Schon heute sind Bundeswehrsoldaten an zwei Missionen in Mali beteiligt: Bei der Drohnenaufklärung für die Blauhelmtruppe "Minusma" mit einem knapp 1.000-köpfigen Kontingent und bei der Ausbildung malischer Soldaten im Rahmen der Europäischen Trainingsmission (EUTM) mit rund 300 Uniformierten.

Erst vor wenigen Tagen wurde das Fortbestehen der Ausbildungsmission infrage gestellt: Mit Berichten, wonach Malis Militärregierung und die Söldnergruppe "Wagner" kurz vor der Unterzeichnung eines Vertrags stünden, der den Einsatz von rund 1.000 russischen Privatlegionären in dem westafrikanischen Krisenstaat vorsehe. Außer für den persönlichen Schutz des Militärmachthabers sollen sie auch für das Training der malischen Soldaten zuständig sein. Ausgeschlossen, dass die EUTM-Mission unter solchen Voraussetzungen fortgesetzt werden könne, heißt es sowohl in Paris wie auch in Berlin. Womöglich habe General Assimi Goïta mit dem Wagner-Manöver nur die Franzosen zum Bleiben zwingen wollen, spekulieren Experten: Der Putschistenchef hat ein zweites Afghanistan wie kein anderer zu fürchten.

Menschenrechtsverletzungen

Allerdings war EUTM schon früher ins Gerede gekommen. Nicht nur, dass die europäischen Ausbilder nicht verhindern konnten, dass das malische Militär gleich zweimal innerhalb eines Jahres eine Regierung stürzte: Auch die trainierten Truppen selbst machen aus ganz falschen Gründen auf sich aufmerksam. Statt die Bevölkerung zu schützen, wird den Soldaten vorgeworfen, immer wieder Blutbäder anzurichten: Nach Recherchen des UN-Informationsdienstes "The New Humanitarian" (TNW) bringen die EU-trainierten Soldaten im Verlauf des Konflikts mehr Zivilisten um als die Jihadisten. Offenbar haben die Europäer keine Vorkehrungen getroffen, um Menschenrechtsverletzungen in diesem Kontext aufzuspüren oder zu ahnden: Ein entsprechendes Überwachungssystem sei nicht Teil seines Mandats, sagte der damalige EUTM-Chef, Brigadegeneral Luis Gracia Herreiz, im April dieses Jahres den TNW-Reportern.

Immer lauter werden auch die Stimmen, die eine bloß militärische Bekämpfung des "Terrorismus" infrage stellen. Vor allem in Afrika gründe sich der islamistische Extremismus auf die Klagen der Bevölkerung, die sich von korrupten oder nicht funktionierenden Regierungen vernachlässigt fühlten, sagt Martin Ewi vom Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria: "Der Islamische Staat weiß diese Unzufriedenheit zu seinen Zwecken auszunützen." Dass die Geberländer in den vergangenen zwei Jahrzehnten große Teile ihrer Entwicklungsgelder in den sogenannten Sicherheitsbereich fließen ließen, habe die prekäre Lage der Bevölkerung noch weiter verschlimmert, meint Ewi. Ein Teufelskreis, der auch mit der "Neutralisierung" eines Extremistenführers nicht aus der Welt geräumt ist. (Johannes Dieterich, 16.9.2021)