Eine der wenigen Stellen, an denen man noch kostenlos ans Ufer des Attersees gelangt: das Europacamp der Sozialistischen Jugend.

foto: apa/sozialistische jugend

Linz/Wien – Der Rechtsstreit um das von Holocaust-Überlebenden der Sozialistischen Jugend (SJ) zur Verfügung gestellte Grundstück mit direktem Attersee-Zugang, auf dem sich seit 1962 das Europacamp der SJ befindet, geht in die nächste, wohl finale Runde. Am Montag werde die SPÖ Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und Revision beim Verwaltungsgerichtshof einlegen, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch am Donnerstag bei einem Hintergrundgespräch.

Bekämpft werden soll damit ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BvwG), laut dem die SJ 45.000 Euro Strafzahlung leisten müsste – weil die Differenz zwischen der sehr niedrigen Pacht für die Liegenschaft von zehn Euro jährlich und den am See üblichen Pachtzinsen eine illegale Parteispende darstelle.

Folgen des Parteiengesetzes 2012

Und zwar nicht seit immer, aber immerhin seit 2012. Da trat das neue Parteiengesetz in Kraft und untersagte politischen Parteien, Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften anzunehmen.

Beim Europacamp sei genau das der Fall, argumentiert der BvwG: Die SJ habe den Pachtzins bis 2019 der oberösterreichischen Landesimmobilien GmbH überwiesen, die dem Land Oberösterreich gehört – und damit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft.

Auflage der jüdischen Erben

Der für die SPÖ eintretende Anwalt David Rautner von der Kanzlei Freimüller/Obereder/Pilz hält dem unter anderem die Geschichte des Attersee-Grundstücks entgegen. Es hatte ursprünglich der Sozialdemokratin Gertrude Webern gehört, die als Jüdin 1938 von den Nationalsozialisten enteignet wurde und aus Österreich fliehen musste.

Ihre Erben, die Geschwister Pollak, hatten das Grundstück 1962 nach der Rückgabe dem Land Oberösterreich mit der Auflage verkauft, dass es der SJ 99 Jahre lang für eine geringe Pacht zur Verfügung gestellt werde. Es sollte der antifaschistischen Arbeit dienen, ein Anspruch, dem die SJ in Gestalt von Seminaren Genüge zu tun versucht.

Anthony Cohn ist der Enkel der Sozialdemokratin Gertrude Webern, die von den Nationalsozialisten enteignet wurde. Er fordert Vertragstreue vom Land Oberösterreich.
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Nachkommen nehmen Stellung

Beim Hintergrundgespräch wurde eine Stellungnahme des Enkels von Gertrude Webern verteilt. Er und sein Bruder seien "sehr besorgt über die aktuelle Diskussion um die Zukunft des Europacamps am Attersee", schreibt Anthony Cohn, ein in Großbritannien lebender 67-jähriger Computerwissenschafter. "Unserer Meinung nach verabsäumen es die verantwortlichen Politiker in Oberösterreich, das Erbe unserer Familie zu schützen und die Verpflichtungen aus einem gültigen Vertrag einzuhalten."

Cohn kommt auch auf die Bedingungen zu sprechen, unter denen in den 1960er-Jahren die Rückgabe des Besitzes und dessen Verkauf stattfanden: Nach der Befreiung Österreichs hätten die Geschwister Pollak versucht, ihr früheres Eigentum zurückzuerlangen.

Viel Geld an die Ariseure

"Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs mussten sie jedoch eine sehr hohe Summe an jene Personen zahlen, die in der Zwischenzeit in den Besitz der Liegenschaft gelangt waren", spricht er die damals komfortable Verhandlungsposition der vorherigen Ariseure an – der Nationalsozialisten oder Mitläufer, die sich am jüdischen Besitz bereichert hatten.

Wenn schon, so hätten die ehemaligen jüdischen Eigentümer die Liegenschaft an die SJ gespendet – in den 1960er-Jahren, als dies zulässig war –, argumentiert nun Anwalt Rautner gegenüber den Höchstgerichten. Auch liege dem Pachtverhältnis ein Vertrag zugrunde, womit von keiner "freiwilligen Spende" die Rede sein könne.

Freier Zugang zum Attersee

Zudem erbringe die SJ im Europacamp "gemeinwirtschaftliche Leistungen" – in Gestalt des freien Seezugangs. Dieser, so SJ-Vorsitzender Paul Stich, komme Menschen zugute, "die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden". Der Zugang zum See im Europacamp ist kostenlos. Nur noch 13 Prozent des Ufers können derzeit frei betreten werden, alles andere ist privatisiert. (Irene Brickner, 17.9.2021)