Im Grunde stellt sich die Frage, ob ein solch offensives Gemüse wie der Karfiol dem von äußerstem Zartgefühl geprägten Menschen der Gegenwart überhaupt noch zumutbar ist.

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Was gibt es eigentlich Neues von der Karfiolfront? Nicht allzu lange nach dem Beginn der Covid-Krise, am 9.5.2020, habe ich in einer Krisenkolumne darauf hingewiesen, dass die Karfiolrosen im Supermarkt meiner Wahl seit Wochen viel kleiner waren als gewohnt, sprich exklusive der Blattummantelung gerade einmal faustgroß.

Ob es einen kausalen Zusammenhang der Gemüseschrumpfung mit der Corona-Krise gegeben hat, konnte ich damals nicht eruieren (mangelnder Karfioldüngernachschub aus China? kollektive Erkrankung aller Karfiolbauern an Covid-19?). Das Rätsel ist bis heute ungelöst geblieben, hätte aber vielleicht einen heiteren Film hergegeben (Arbeitstitel: "Honey, I Shrunk the Couliflower").

Bei einer Recherche im Supermarkt in Wien Mitte nebenan konnte ich diese Woche feststellen, dass das Gros der Karfiolrosen wieder auf vorcoronares Niveau angewachsen ist. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dies einen Vor- oder Nachteil darstellt, ist doch der Karfiol unter den Gemüsen das, was der Skunk unter den Tieren ist: eine geradezu unerträgliche olfaktorische Zumutung.

Nur noch Gestank

Der Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline hat den Geruch vor sich hin faulender Karfiolrosen in seiner Reise ans Ende der Nacht bei der Beschreibung eines Pariser Hinterhofs in der gebotenen Drastik festgehalten: "Der Sommer stank auch gewaltig. Im Hof war keine Luft mehr, nur noch Gestank. Blumenkohl schlägt alles andere, mühelos. Ein Blumenkohl schafft zehn Klos, sogar, wenn sie schon überlaufen."

In diesem Licht betrachtet sind kleine Karfiolrosen (wenigstens eine Sache, auf die wir uns in der vierten Corona-Welle freuen dürfen) besser als große, und diese großen verwendet man am besten zur Bewirtung unangenehmer Gäste, um sie mit einem die gesamte Wohnung durchmüffelnden Karfiolauflauf zum raschen Aufbruch zu motivieren.

Im Grunde stellt sich die Frage, ob ein solch offensives Gemüse wie der Karfiol dem von äußerstem Zartgefühl geprägten Menschen der Gegenwart überhaupt noch zumutbar ist. Wahrscheinlich nur dann, wenn man ihm jeden Geschmack und Geruch abzüchtet und ihn in den kindgerechtesten Zubereitungsformen auf den Tisch bringt: Karfiolbrei, Karfiolschleim, Karfiolpampe, Karfiolpüree. Und natürlich Karfiol-Smoothies. Auf dass keine Lämmchenseele Schaden nehme. (Christoph Winder, 20.9.2021)