Zu den wertvollen Kunstwerken der Macklowe Colletion, die im November bei Sotheby’s versteigert werden, gehört Giacomettis "Le Nez" und Warhols "Nine Marilyns", deren Schätzwert bei je bis zu 60 Millionen Dollar liegt.

Foto: Sotheby’s

Die am Mittwochabend vergangener Woche um kurz vor 19 Uhr MEZ aus dem New Yorker Headquarter von Sotheby’s an die Medienvertreter übermittelte Nachricht ließ Wichtiges erahnen. Für anderntags wurde eine historische Bekanntgabe via Livestream avisiert. Die Ankündigung einer Ankündigung also. Eine Inszenierung, die in dieser Form doch deutlich von dem sonst über Pressemitteilungen abgewickelten Tagesgeschäft abwich.

Kein Wunder, handelte es sich doch um die Verlautbarung der Versteigerung einer Sammlung, die in puncto Qualität und monetärer Bewertung in ihrer Dimension den Vergleich sucht: 65 Kunstwerke der Kategorie Modern & Contemporary Art, für die Sotheby’s einen Erlös von mehr als 600 Millionen Dollar erwartet.

Die erste Tranche kommt bereits am 15. November in New York unter den Hammer, die zweite ebendort im Mai kommenden Jahres. Unter den ersten 34 finden sich Kaliber von Andy Warhol (Nine Marilyns, 1962) oder Cy Twombly (Untitled, 2007) mit Schätzwerten von je (!) 40 bis 60 Millionen Dollar – darüber dürften die Erwartungen für Werke von Mark Rothko (No. 7, 1951) oder Alberto Giacometti (Le Nez, 1949–1964) liegen, für die vorerst kein Schätzwert veröffentlicht wurde.

Rekorde erwartbar

Die erste Vorschau auf den Fundus verrät: Es handelt sich um marktgängige Werke, die sich – mit adäquaten Taxen ausgestattet – weitestgehend von selbst verkaufen lassen dürften. Neue Rekordwerte sind mehr als wahrscheinlich. Vielleicht auch für Gerhard Richter, von dem ein großes Seestück aus einer Serie von insgesamt vier aus dem Jahr 1975 im Angebot steht.

Für Gerhard Richters Seestück von 1975 beläuft sich die Taxe auf 25 bis 35 Millionen Dollar. Beim Auktionsdebüt im Jahr 1992 war das auf 310.000 bis 387.000 Dollar taxierte Großformat unverkauft geblieben.
Foto: Sotheby’s

Als das zwei mal drei Meter große Ölbild 1992 bei Christie’s in London einst sein Auktionsdebüt gab, blieb es mit einem Schätzwert von rund 310.000 bis 387.000 Dollar unverkauft. Nun soll es zwischen 25 und 35 Millionen Dollar einspielen.

Die Gesamtgrößenordnung des erhofften Erlöses von "mehr als 600 Millionen Dollar" erinnert an die im Vorfeld der Versteigerung der Sammlung von Peggy und David Rockefeller von Christie’s bezifferte Kalkulation: für mehr als 1600 Objekte, die im Mai 2018 innerhalb dreier Tage in sechs Sitzungen zur Verteilung gelangten. Die finale Bilanz belief sich damals auf 832,57 Millionen Dollar (698,3 Mio. Euro, Umrechnungskurs Mai 2018) und rangiert seither als lukrativster "Single Owner Sale". Ein Rekordwert, den die dem Umfang nach deutlich kleinere Macklowe Collection übertreffen könnte.

Dass diese 65 Kunstwerke jetzt auf den Markt kommen, ist einem von 2016 an geführten veritablen Scheidungskrieg und dem Urteil des Obersten Gerichtshofs des Staates New York geschuldet. Zu den in Streit stehenden Vermögenswerten gehörten nicht nur teure Immobilien in New York und den Hamptons, eine 23,5 Millionen Dollar teure Yacht sowie eine mehr als 150 Kunstwerke umfassende Sammlung, deren Versicherungswert bereits 2019 über einer Milliarde Dollar lag.

Partiell einigte man sich über die Aufteilung, nicht jedoch für die besonders wertvollen Kunstwerken, die Linda und Harry Macklowe in den 57 Jahren ihrer Ehe angesammelt hatten. Der mittlerweile 84-Jährige hatte in den 1960er-Jahren als Makler begonnen, wurde Bauunternehmer und schließlich erfolgreicher Investor, der zahlreiche Großimmobilien in New York sein Eigen nannte.

Für Mark Rothkos "No. 7" aus dem Jahr 1951 erwartet das Auktionshaus mehr als 70 Millionen Dollar. Der vorläufige Weltrekord für ein Werk des amerikanischen Künstlers liegt bei 77,5 Millionen inkl. Aufgeld 86,88 Mio. Dollar, "Orange, Red, Yellow" (1961), Christie’s 2012)
Foto: Sotheby’s

In der Wirtschaftskrise 2008 holte er sich jedoch eine blutige Nase: Im Jahr davor hatte er sieben Wolkenkratzer in Manhattan erworben, konnte jedoch einen von der Deutschen Bank gewährten Kredit in der Höhe von 5,8 Milliarden Dollar nach wenigen Monaten nicht mehr bedienen. Er verlor alle sieben Gebäude, darunter das General Motors Building, das er im Mai 2008 für 2,9 Milliarden Dollar verkaufen musste. Seine Ex-Frau Linda, 83 Jahre alt, gehört als Kuratoriumsmitglied der Guggenheim-Stiftung sowie des Metropolitan Museum of Art zur Prominenz der New Yorker Kunstszene.

Match um den Deal

Den erbitterten Disput um die kostbarsten Trophäen der gemeinsam aufgebauten Sammlung beendete eine Richterin, die im Herbst 2019 einen Verkauf anordnete, dem eine Teilung des Erlöses folgen soll. Einem damaligen Bericht von Artnet zufolge wurde ein Verwalter mit der Vermittlung des Verkaufs beauftragt, konkret Michael Findlay, vormals Leiter des Impressionist & Modern Art Department bei Christie’s und Direktor der Acquavella Galleries.

Aufgrund der Pandemie waren die konkreten Verkaufspläne vorerst ebenso ins Stocken geraten wie der zeitgleich hinter den Kulissen unter den Multis der Auktionsbranche geführte Kampf um die Beauftragung mit der Versteigerung. Die Wahl der Waffe war absehbar: die Zusage eines substanziellen Betrags, und zwar unabhängig vom späteren Verkaufserlös.

Hohe Garantiesumme

Von diesem Modell profitieren Auktionshäuser bekanntlich erst dann, wenn die Summe aller Meistbote über der gewährten Garantie liegt und die Käufergebühren, oder wenigstens ein Anteil davon, in die Kassen fließen.

Bis zur Privatisierung im Herbst 2019 war Sotheby’s in solchen Belangen weniger flexibel als Christie’s, da man die damit verbundenen Risiken im Sinne der Aktionäre abwägen musste. So war ein ähnlicher Poker rund um die etwa 500 Werke umfassende Sammlung des einstigen Sotheby’s-Eigentümers Alfred Taubmann 2015 nicht sonderlich gut angekommen. Wie das Fachmagazin The Art Newspaper aktuell in Erinnerung rief, hatte man damals eine Garantie in der Höhe von 515 Millionen Dollar bewilligt, blieb jedoch auf einer nennenswerten Zahl an Kunstwerken sitzen.

Im Wettbewerb um das Macklowe-Konvolut ging es am Ende ausschließlich um die Höhe einer solchen Garantie. Die von Sotheby’s zugestandene dürfte ziemlich genau in der Größenordnung von 600 Millionen Dollar liegen und wäre damit eine der höchsten, wenn nicht die höchste in der Geschichte des Unternehmens. (Olga Kronsteiner, 19.9.2021)