Der Immobilienentwickler Wienwert begab Anleihen, die teils mehr als sieben Prozent an Zinsen pro Jahr abwarfen, was weit über dem Durchschnitt der Anlageklasse der Immobilien liegt. Anleger hätten da schon stutzig werden können. Die Investoren bangen um mehr als 30 Millionen Euro. Ein erheblicher Anteil dessen landete dabei in der Sphäre der Gesellschafter (für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung). Eingetragene Pfandrechte, die es so nicht gab (Täuschung), überbezahlte Führungskräfte (Gier) und der Versuch, möglichst hohe Renditen (durch Verschuldung) zu erzielen, zeigten, dass auch im Fall des "Betongolds" nicht alles Gold ist, was glänzt.

Die Investoren bangen um mehr als 30 Millionen Euro.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Im historischen Durchschnitt erwirtschaften Immobilien je nach Region und Lage und nach Kosten wie Instandhaltung und Ähnliches ein bis zwei Prozent über der Inflation. Die sieben Prozent unterstellten somit ein Wachstum über dem Durchschnitt. Hinzu kommt, dass in den vergangenen Jahren Immobilien rasante Preisanstiege erlebten. Immobilien, Sachwerte, Betongold, oder wie man es auch nennen möchte, kann man anfassen. Die Schwankungen nimmt man also nicht so stark wahr, wie beispielsweise bei Aktien. Es ist jedoch eine falsche Annahme, dass Immobilien sicherer seien als andere Anlagen. Viele glauben, das Reihenhaus um den "Speckgürtel" von Wien sei sicherer als Staatsanleihen von Österreich. Das ist jedoch ein Irrglaube und hat mit der Realität nichts zu tun. Es sind dabei viele reale Risiken vorhanden, die Anleger zu meist nicht sehen.

Geschlossene Fonds

In der Praxis werden für Investments in Immobilien häufig geschlossene Fonds herangezogen. Geschlossene Fonds investieren zumeist via Crowdinvesting oder der Gründung eigener Gesellschaften in Sachwertanlagen wie Unternehmensbeteiligungen, Immobilien, Schiffe oder Windräder. Investoren und Anleger werden damit wie nachrangige Darlehensgeber behandelt. Im Falle des Scheiterns des jeweiligen Unternehmens, kommen die nachrangigen Gläubiger als letztes zum Zug und Banken und andere Finanzinstitutionen und deren Vermögenswerte werden vorrangig behandelt. Die meisten Anleger sind sich darüber nicht im Klaren, dass es sich bei einer derartigen Geldanlage um eine riskante Investition handelt und ein Totalausfall des investierten Kapitals in Betracht gezogen werden muss. Ähnlich waren im Falle von Wienwert die Anleihegläubiger nachrangig besichert. Neben diesem Totalverlustrisiko kam das Liquiditätsrisiko hinzu, da diese Veranlagungen meist nicht laufend handelbar sind und ein Ausstieg häufig erst gegen Ende der Laufzeit möglich ist.

Nicht alle Eier in einen Korb

Das Streuungsrisiko ist ebenso eines der Risiken, die häufig vergessen werden. Da es sich bei Immobilien zumeist um sehr hohe Kapitalbeträge handelt – vor allem wenn man einen Grundbucheintrag anstrebt –, können die meisten dieser Investments nicht entsprechend gestreut werden. Anleger können jedoch durch Risikostreuung die Gewinnchancen verbessern und Verlustrisiken weiter vermindern. Durch eine Aufteilung der Vermögenswerte auf unterschiedliche Vermögensklassen können Anleger die Rendite steigern und das Risiko senken. Voraussetzung ist, dass man langfristig daran festhält (zumeist treten Verhaltensverzerrungen wie Angst und Gier auf, die Anleger davon abhalten) und günstig Nachkäufe tätigt. Ebenso erliegen Anleger der "Verzerrung des eigenen Landes".

Der deutschsprachige Raum macht weniger als ein Zehntel der weltweiten Kapitalmärkte aus, Anleger investieren dennoch mehr als 75 Prozent der Vermögenswerte vorwiegend in die heimischen Finanzmärkte. Die Zusammensetzung der Anteile der Länder am weltweiten Kapitalmarkt veränderte sich jedoch massiv über die Jahrzehnte. Diesen ständigen Veränderungen ist durch Anpassungen im Portfolio Rechnung zu tragen. So hatte Österreich-Ungarn im Jahr 1900 einen Anteil von fünf Prozent am weltweiten Kapitalmarkt. Nun hat sich dieser Prozentsatz erheblich verkleinert. Hatten die Vereinigten Staaten im Jahr 1900 15 Prozent Anteil an den Kapitalmärkten sind es derzeit über 50 Prozent. Ein weltweit gestreutes Portfolio, das mehrere Länder einschließt, erholt sich nach Finanzkrisen schneller, schützt vor inakzeptablen Verlusten und unterliegt weniger Schwankungen, als wenn alle Vermögenswerte auf ein spezifisches Land gesetzt werden.

Beachtung realer Risiken

Vermögenswerte der Wienwert schmolzen ebenso dahin wie die vieler Anleger und Investoren. Dies hätte nicht sein müssen, jedoch weiß die überwiegende Anzahl der Anleger nicht, worin sie investiert. Die Mehrheit der Anleger und Investoren weiß nicht, ob sie in offene Fonds oder in geschlossene Fonds wie Beteiligungen oder nachrangige Darlehen oder Veranlagungen investiert – und setzt sich so unvorhersehbaren Risiken aus, die vermieden werden könnten. (Bernhard Führer, 20.9.2021)