Wie, Sie haben noch nie von Waren an der Müritz gehört? Der Stadt im Nordosten Deutschlands, mit rund 20.000 Einwohnern und seiner fantastisch erhalten (Hafen-)Altstadt? Zugegeben, ich auch nicht. Aber das Städtchen dürfte einen Besuch wert sein, und das nicht nur wegen seiner Altstadt.

Denn hier steht einer von mehreren umgebauten Wassertürmen in Deutschland. Genauer gesagt: auf dem Nesselberg, mit Blick auf den Feisnecksee und die Binnenmüritz.

Das Wasserwerk am Nesselberg, das zusammen mit dem Turm errichtet wurde, ging 1897 in Betrieb und brannte nur wenige Jahre später ab (welch ’ Ironie), um daraufhin wieder neu erbaut zu werden. Bis in die 1960er versorgte es Waren mit fließendem Wasser, ehe die Bewahren Ferienhaus eG ihn kaufte und zu Ferienwohnungen umbauen ließ.

Heute ist der Wasserturm in Waren an der Müritz ein beliebtes Urlaubsziel – doch er hat eine lange Geschichte hinter sich.
Foto: Jan Kulke

In den 1990er-Jahren hatte schon einmal jemand in dem ehemaligen Wasserturm gewohnt, deswegen waren die meisten grundlegenden Umbauten schon gemacht worden, trotzdem musste vieles renoviert werden. Vor allem galt es, Feuchtigkeitsschäden auszumerzen.

Heute gibt es in dem Turm vier Ferienwohnungen auf insgesamt fünf Etagen. An den ehemaligen Wasserkessel erinnert nur noch der Boden (also die Decke der Güstrow-Ferienwohnung in der zweiten Etage) und ein vertikal durch den Turm laufendes Druckrohr.

Ähnliches gilt für den Turm im Wasserwerk Bad Saarow, etwas südlicher gelegen, am Scharmützelsee. Auch dieser Wasserturm wurde eines Tages vom Netz genommen, der Tank entfernt, und so drohte er zu verfallen.

Panorama-Glas-Spitze

Heute kann man im gesamten Wasserwerk entweder wohnen oder Feste feiern. Das Highlight dürfte auch hier der Wasserturm sein, der nicht nur einen völlig neuen Anstrich und eine moderne Inneneinrichtung (samt frei stehender Badetonne ganz unten) bekommen hat, sondern auch eine 360-Grad-Panorama-Glas-Spitze.

Highlight des Wasserwerks Bad Saarow ist der Turm in der Mitte.
Foto: Michael Kromat

Aber warum stehen all diese Wassertürme denn eigentlich leer? Dazu muss man sich erst einmal vor Augen führen, wozu diese Wassertürme gut waren.

Früher wurden von hier aus die Häuser der Umgebung mit fließendem Wasser versorgt. Das erfolgte nach dem Prinzip der Kommunizierenden Röhre. Lässt man Wasser in einer Leitung von einem hohen Punkt fließen, "will" das Wasser am anderen Ende der Leitung wieder genau auf diese Höhe. Liegt der Wasserturm nun höher als die Gebäude, die er beliefert, steht das Wasser am anderen Ende der Leitungen, also in den Wasserhähnen, unter Druck – und kann so jederzeit herausfließen.

Das ist heute freilich mit modernen Pumpsystemen nicht mehr nötig (und es ist auch sehr viel günstiger), trotzdem stehen die großen und ansehnlichen Bauten immer noch herum. Deswegen gibt es allerlei Verwendungen dafür.

Kliemannsturm

Der belgische Architekt Mauro Brigham beispielsweise hat einen solchen 30 Meter hohen Turm in ein Einfamilienhaus verwandelt. Auf insgesamt 400 Quadratmetern sind ein Schlafzimmer, ein Gästezimmer, Wohnzimmer, Küche, Essbereich und Dachterrasse samt Außendusche beheimatet. Von hier aus kann man auch hervorragend die startenden und landenden Flugzeuge beobachten – der Turm ist nämlich nur rund 250 Meter vom Brüsseler Flughafen entfernt – ein Fest für Planewatcher.

Und das Interesse reißt nicht ab. Erst vor kurzem hat der Youtuber und selbsternannte Heimwerkerkönig Fynn Kliemann einen Wasserturm in Frankfurt an der Oder an der deutsch-polnischen Grenze gekauft. Wozu Kliemann den Koloss umbauen will – Ferienwohnungen, Hotel oder doch herkömmliche Wohnungen – ist noch nicht klar.

Das Thema Wohnen im Wasserturm sieht in Österreich übrigens mau aus. Man kann höchstens "am" Wasserturm wohnen, am Wienerberg zum Beispiel, aber das ist einfach nicht dasselbe. (Thorben Pollerhof, 19.09.2021)