Anfragen an Eigentümer, ob sie ihre Immobilie verkaufen möchten, kommen immer wieder vor.

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Es ist ungewöhnliche Post, die Bewohnerinnen und Bewohnern in einem Grätzel in Wien-Meidling vor kurzem bekamen: "Liebe Nachbarn", heißt es auf einer im Postkartenformat bedruckten knallgelben Karte. Und weiter: "Meine Frau und ich möchten gerne eine Eigentumswohnung in Ihrer Nachbarschaft kaufen. Vielleicht kennen Sie jemanden, der in nächster Zeit eine Wohnung verkaufen möchte? Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns bei der Suche behilflich sein könnten und uns informieren, wenn Sie von einem Verkauf erfahren."

Bei der von "Lisa & Emanuel" angegebenen Telefonnummer landet man nach kurzem Klingeln auf einem Tonband. Hier fordert eine Männerstimme dazu auf, Namen und Telefonnummer zu hinterlassen, "ich rufe ehestmöglich zurück".

Wechselnde Namen

Aber steckt hinter der Karte tatsächlich ein Paar, das unbedingt unweit des Meidlinger Bahnhofs eine Wohnung für sich kaufen möchte? Immerhin wird in manchem Immo-Ratgeber und auch in Onlineforen Suchenden eine solche unkonventionelle Vorgangsweise empfohlen, um eine nette Wohnung abseits der breitgetrampelten Besichtigungspfade zu finden.

Bloß: Die optisch und sprachlich exakt gleiche Karte haben in den letzten Wochen Bewohnerinnen und Bewohner völlig unterschiedlicher Grätzel, beispielsweise im 14., 15. und auch im zweiten Bezirk, in ihrem Postkasten gefunden. Seltsames Detail: Die Karten kamen im zweiten Bezirk nicht von Lisa und Emanuel, sondern von Rachel und Eduard. Auch die Telefonnummer war leicht abgeändert. Die Tonbandstimme, die Anruferinnen und Anrufer begrüßte, war aber die gleiche.

Ständige Anfragen

Der auf Liegenschaftsrecht spezialisierte Wiener Rechtsanwalt Christoph Rechberger kennt die konkreten Postwürfe zwar nicht. In guten Gegenden der Stadt würden Eigentümer einer Liegenschaft, eines Hauses oder einer Wohnung aber "ständig und wiederholt" Anfragen erhalten, ob sie an einem Verkauf interessiert seien. In der Regel von Maklern und Liegenschaftshändlern, aber auch von Privaten. Da das Grundbuch öffentlich ist, seien solche Anfragen auch grundsätzlich zulässig.

Beim Verein für Konsumenteninformation hat man von den Postwürfen bisher noch nichts gehört. Vor dem Verkauf einer Wohnung empfehle sich aber, rechtliche Expertise einzuholen. Lisa und Emanuel, Rachel und Eduard in einer Husch-Pfusch-Aktion die Wohnung verkaufen? Bitte nicht, stellen Expertinnen und Experten klar.

Auch Rechtsanwalt Rechberger empfiehlt, derartige Zettel zu ignorieren – oder Angebote zumindest mit "Ruhe und Besonnenheit" zu prüfen, sofern man wirklich verkaufen möchte.

Eines sollte man bei Gesprächen mit etwaigen Kaufinteressenten auch nicht vergessen: Theoretisch kann im Gespräch an der Haustür mündlich ein – rechtlich bindender – Kaufvertrag geschlossen werden. Unter bestimmten Bedingungen steht Verkäufern aber ein Rücktritts- oder Anfechtungsrecht zu.

Kaufinteressenten vor der Haustür

Walter Rosifka, Jurist bei der Arbeiterkammer, könnte sich hinter den Postwürfen die Abwandlung eines alten Schmähs vorstellen: Früher gab es Annoncen in Zeitungen, mit denen ein vermeintliches Lehrerehepaar aus dem Waldviertel angeblich eine Wohnung in Wien suchte. Wer sich mit einer passenden Wohnung unter der Nummer meldete, erfuhr, dass sich hinter dem Inserat ein Makler verbarg.

Sollte auch hinter dem Postwurf ein Makler stecken, wäre das laut Rosifka unlauterer Wettbewerb. Standeswidrig sei so ein Vorgehen obendrein – und natürlich "ein Hinweis auf mangelnde Seriosität", betont der Jurist. Bei der Fachgruppe der Immobilientreuhänder in der Wirtschaftskammer sind diesbezüglich aber noch keine Beschwerden eingetrudelt.

Doch es gibt noch andere Auswüchse des Runs aufs Betongold: In einer kleinen Gemeinde im Burgenland stand vor kurzem ein Paar vor der Gartentür eines Einfamilienhauses, das von dessen Bewohnerin – einer STANDARD-Leserin – wissen wollte, ob sie nicht ihr Haus verkaufen möchte. Als diese verneinte, wollten sie sie umstimmen.

Der Rückruf

Zurück nach Meidling, zu den knallgelben Postkarten. Der Rückruf, den die Stimme am Tonband versprach, kam nach einigen Tagen. Ein freundlicher Mann, er nannte sich Emanuel, erklärte, er und seine schwangere Freundin hätten sich mehrere schöne Häuser in Wien ausgesucht, bei denen sie die Kärtchen in die Postkästen warfen, weil sie ohne Makler kaufen möchten. Ideal wäre eine Wohnung ab 80 Quadratmeter. Einer kleineren gegenüber wären sie aber auch nicht abgeneigt – dann jedoch zu Anlagezwecken.

Sind die Postwürfe erfolgreich? "Ich habe nicht wenige Anrufe bekommen", erklärte Emanuel dem STANDARD. Allerdings habe es schon auch Missverständnisse gegeben: "Manche dachten, ich hätte eine Wohnung zu verkaufen."

Bisher dürften Lisa und Emanuel ihre Traumwohnung trotz aller Bemühungen nicht gefunden haben. Zumindest fand sich derselbe Postwurf vor wenigen Tagen schon wieder in Meidlinger Briefkästen. (Franziska Zoidl, 18.9.2021)