Anett Fritsch und Daniel Schmutzhard als Seele und Körper in einem der frühesten Opernwerke überhaupt: "Rappresentatione di Anima, et di Corpo".

Foto: Werner Kmetitsch

Bei "Rappresentatione di Anima, et di Corpo" treten Wollust, Macht und Reichtum an, um das Protagonisten-Paar von seinem Weg ins Himmelreich abzubringen ...

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... natürlich vergeblich.

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Die Geburt der Oper aus dem Geist der Tragödie – das kann nur heißen: des klassischen griechischen Dramas – ist eine charmante musikgeschichtliche Legende, von der sich allerdings nicht einmal klar sagen lässt, ob selbst ihre Urheber so recht an sie glaubten.

Ende des 16. Jahrhunderts und noch lange danach diente dieses Narrativ jedoch als hochwirksame Legitimation einer damals neuen Gattung, deren Erfolgsgeschichte seither allen Totsagungen zum Trotz nie wieder abgerissen ist.

Seit etwa 1575 hatte sich in Florenz eine Gruppe von Dichtern, Komponisten und Gelehrten formiert, die sich als "Camerata Fiorentina" weniger um ein Wiederbeleben der Antike verdient machte, sondern eine neue musikalische Ausdrucksform fand: einstimmigen, im Wesentlichen mit einer einfachen, aus Akkorden gebildeten Begleitung versehenen Gesang, der unmittelbar Gefühle darstellen und bei den Zuhörern erwecken sollte.

Das unmittelbare Gefühl

Wenige Jahre vor Claudio Monteverdis epochalem Orfeo schufen Jacopo Peri und Giulio Caccini je eine Euridice nach demselben Libretto von Ottavio Rinuccini. Damit setzten sie den Beginn einer jahrhundertelangen Tradition: Held und Heldin bei ihren wechselvollen Geschicken einfühlend und mitgerissen zu begleiten.

Einen anderen Ansatz, der allerdings ein einmaliges Experiment bleiben sollte, verfolgte ein frommer Mann in Florenz: Nicht nur rühren und bewegen sollten Musik und Szene, sondern die Menschen zu Gott hinführen. Auch Emilio de’ Cavalieri bezog sich auf eine vergangene Kunst: das geistliche Mysterienspiel des Mittelalters.

Er zielte auf unmittelbares Evozieren von Emotion – so wie die Bruderschaft des 1795 heiliggesprochenen Filippo Neri, der eine direkte Verständlichkeit der christlichen Botschaften für das Volk wollte.

Leib, Lust und Verstand

Voll christlicher Symbolik ist die Rappresentatione di Anima, et di Corpo nach dem Libretto von Agostino Manni. Drei Akte symbolisieren die göttliche Ordnung. Drei Sphären sind es, in denen sich die Geschichte abspielt: auf der Erde, im Himmel und in der Zeit, die als Verbindung beider Orte verstanden wird.

Hier suchen Anima (die Seele) und Corpo (der Körper oder – biblischer – der Leib) mit- und gegen einander nach der richtigen Lebensart. Tempo (die Zeit) und Intelletto (der Verstand) helfen ihnen bei der Formulierung ihrer Bedürfnisse (1. Akt). Dann treten die Versuchungen von Wollust, Macht und Reichtum auf den Plan, um in Gestalt von Piacere (das Vergnügen), Mondo (die Welt) und Vita mondana (das weltliche Leben) Leib und Seele vom rechten Weg abzubringen – jedoch erfolglos (2. Akt).

Zur Veranschaulichung der Konsequenzen des richtigen und falschen Lebens öffnen schließlich Intelletto und Consiglio (der gute Rat) die Pforten zu Himmel und Hölle, sodass Anima und Corpo sich schließlich für den Weg ins Himmelreich entscheiden.

So weit das keineswegs überraschende glückliche Ende eines der ersten durchkomponierten Stücke mit einheitlichem Geschehen und durchwegs gesungenen Dialogen, das daher als eine der ersten "Opern" überhaupt gilt, wie auch Peri im Vorwort zu seiner Euridice anerkannte: "Von Herrn Emilio de’ Cavalieri wurde uns, soweit ich weiß, früher als von jedem anderen unsere Musik mit wunderbarer Erfindungsgabe auf der Bühne zum Hören gebracht."

Noch im Jahr der Uraufführung in Rom im Februar 1600 erschien das Werk in Druck, wobei die ideale Größe des Aufführungsraums erwähnt wurde, der Platz für 1000 Menschen haben sollte.

Eine Erregung des Affekts

Weiters wurden Hinweise zur Instrumentation und zur gewünschten Art des Gesangs gegeben: "Der Sänger muss eine schöne Stimme haben, von guter Intonation und Tragfähigkeit. Er soll ausdrucksvoll singen, leise und laut, ohne Passagenwerk. Vor allem soll er die Worte gut artikulieren, damit sie verstanden werden, sie mit Bewegungen und Gesten untermalen, die er nicht nur mit den Händen, sondern auch mit Schritten vollführt – sie sind sehr wertvolle Mittel zur Erregung des Affekts."

Tatsächlich war der Raum – der Oratorio della Vallicella in der Kirche von Filippo Neri – wesentlich kleiner als erträumt, sodass Cavalieri bereits Hinweise gab, die Instrumentation möge je nach Notwendigkeit angepasst werden.

An seiner Vision der Wirkung des mit so viel Abwechslungsreichtum wie nur möglich ausgestatteten Stücks auf die Zuhörer sollte das jedoch nichts ändern: "Und sie werden vor sich Dinge sehen, die in der Gestalt menschlicher Personen erscheinen, während sie mit neuen und seltsamen Bildern entzücken." (Daniel Ender, 18.9.2021)