Aktuell ist der saisonale Effekt bei Coronaviren-Infektionen wieder deutlich zu spüren: Die SARS-CoV-2-Infektionen steigen an, die 7-Tage-Inzidenz ebenso. Warum in der kalten Jahreszeit die Infektionsrate nach oben klettert, hängt vor allem mit der Tröpfchenübertragung zusammen, die im Sommer durch höhere Temperaturen und mehr Sonneneinstrahlung in der Regel erschwert ist. Forscher aus Wien und Italien haben nun genau untersucht, was mit ausgestoßenen Tröpfchen, die als SARS-CoV-2-Viren-Träger fungieren können, in der Umwelt geschieht. Fazit: Die winzigen Virenschleudern sind beständiger als angenommen.

Im beginnenden Herbst wendet sich der saisonale Effekt in den Fallzahlen bereits gut sichtbar leider wieder zu unseren Ungunsten. Auch weil das gesellschaftliche Leben sich in kühleren Zeiten mehr in die Innenräume verlegt, steckt man sich etwa im Winter in der Regel leichter an. Das gilt auch für andere Krankheitserreger, bei denen eine Übertragung über belastete Aerosole geschehen kann.

Die kleinen infektiösen Tröpfchen reisen weiter als bisher angenommen.
Foto: MIT

Größere Tröpfchen, größere Ansteckungsgefahr

Bisher war man vielfach davon ausgegangen, dass vornehmlich von größeren Tröpfchen auch größere Ansteckungsgefahr ausgeht. Kleine Tröpfchen hingegen würden relativ schnell verdunsten. Ganz so flüchtig präsentieren sich die kleinen Virenvehikel jedoch auch nicht. Warum dem so ist, haben sich Forscher um Alfredo Soldati vom Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung der TU mit italienischen Kollegen genauer angesehen und im Fachmagazin "Pnas" darüber berichtet.

Alfredo Soldati und sein Team am Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung der TU Wien beschäftigen sich mit Strömungen, die aus unterschiedlichen Komponenten zusammengesetzt sind – man spricht in diesem Zusammenhang von "Mehrphasenströmungen". Dazu zählt auch die Luft, die ein infizierter Mensch beim Niesen ausatmet: Die infektiösen Viren befinden sich in Flüssigkeitströpfchen unterschiedlicher Größe, dazwischen befindet sich Gas.

Bei Experimenten mit einem Plastikkopf und Hochgeschwindigkeitskameras zeigte sich, wie lange kleine Aerosoltröpfchen tatsächlich in der Luft bleiben.
Foto: TU Wien

Experimente mit einem künstlichen Kopf

Diese Mischung führt zu einem relativ komplizierten Strömungsverhalten: Sowohl Tröpfchen als auch Gas bewegen sich, beide Komponenten beeinflussen einander, und die Tröpfchen können dabei verdunsten und selbst zum Gas werden. Um diesen Effekten auf den Grund zu gehen, haben die Wissenschafter Computersimulationen entwickelt, mit denen man die Ausbreitung von Tröpfchen und Atemluft bei unterschiedlichen Umgebungsparametern berechnen kann, etwa bei unterschiedlicher Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Zusätzlich führte man Experimente mit einem künstlichen Kopf aus Kunststoff durch, in dem eine Düse mit einem elektromagnetisch gesteuerten Ventil eingebaut wurde, um auf präzise definierte Weise ein Gemisch aus Tröpfchen und Gas zu versprühen. Mit Hochgeschwindigkeitskameras wurde der Vorgang aufgezeichnet, so konnte man genau messen, welche Tröpfchen wie lange in der Luft bleiben. An dem Forschungsprojekt beteiligt war außerdem das Team von Francesco Picano an der Universität Padua.

Simulationen kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Illustr.: TU Wien

Eine Größenordnung länger in der Luft

"Wir haben festgestellt, dass kleine Tröpfchen eine Größenordnung länger in der Luft bleiben, als man bisher gedacht hatte", sagt Alfredo Soldati. "Das hat einen simplen Grund: Für die Verdunstungsrate der Tröpfchen ist nicht die durchschnittliche relative Luftfeuchtigkeit der Umgebung entscheidend, sondern die lokale Feuchtigkeit direkt am Aufenthaltsort des Tröpfchens." Die ausgeatmete Luft ist viel feuchter als die Umgebungsluft, und diese ausgeatmete Feuchtigkeit führt dazu, dass kleine Tröpfchen langsamer verdunsten. Wenn die ersten Tröpfchen verdunsten, führt das lokal wieder zu einer höheren Feuchtigkeit, wodurch der weitere Verdunstungsprozess anderer Tröpfchen weiter gebremst wird.

"Das heißt zwar, dass kleine Tröpfchen länger infektiös sind als angenommen, aber das soll kein Grund für Pessimismus sein", meint Soldati. "Es zeigt uns nur, dass man solche Phänomene eben auf die korrekte Weise studieren muss, um sie zu verstehen. Nur dann können wir wissenschaftlich solide Empfehlungen machen, etwa in Bezug auf Masken und Sicherheitsabstände." (red, 17.9.2021)