Die Regel für Laien: "Investiere nie in etwas, das du nicht verstehst." Und: "Investiere nie in Geld, das du dir nicht leisten kannst zu verlieren." Nun gut. Wer hält sich schon an Regeln?

Illustration: Fatih Aydogdu

Ich fühle mich wie Leonardo DiCaprio in The Wolf of Wall Street, nur ohne Kokain. Es ist Mittwochmorgen letzter Woche, ich hab meinen Laptop auf den Oberschenkeln und traue meinen Augen kaum.

Der Kurs der meisten Kryptowährungen ist über Nacht tief eingesackt, meinen Bildschirm füllen rote Zahlen und fallende Balkendiagramme. Einen Tag zuvor hab ich meine Kryptoinvestments verkauft und die "Gewinne realisiert", wie man an der Börse sagen würde. Als hätte ich etwas geahnt.

Kryptowährungen sind alles andere als neu, aber sie kommen langsam, aber sicher auch im Mainstream an. Jeder kennt den Platzhirsch Bitcoin, viele haben schon mal von Ethereum, der Nummer zwei, gehört. Und "Freak"-Währungen wie Dodgecoin tauchen zumindest in kuriosen Meldungen immer wieder auf, meist im Zusammenhang mit seltsamen Aussagen von Tesla-Gründer Elon Musk.

Angebot und Nachfrage

Das Prinzip von Kryptowährungen ist eigentlich einfach. Grob gesagt sind es digitale Währungen, die – anders als "Fiatgeld" wie Euro oder Dollar – nicht von Zentralbanken gesteuert werden.

Von den einzelnen Währungen gibt es eine endliche Anzahl (es wird nie mehr als 21 Millionen Bitcoins geben, andere haben eine Begrenzung pro Jahr), der Preis schwankt mit Angebot und Nachfrage. Die Sicherheit der Transaktionen wird über ein Netzwerk von vielen Computern hergestellt. So weit, so simpel.

Aber was heißt das genau? Wie investiere ich ganz konkret in Bitcoin? Wo kaufe ich Kryptowährungen, und wie werde ich sie wieder los? Und noch wichtiger: Kann ich als Laie damit innerhalb von ein paar Wochen Millionär werden?

Für Dummies

Vor ein paar Wochen entstand die Idee, einen "Krypto für Dummies"-Selbstversuch zu starten und zu protokollieren. Ich bin dafür der ideale Kandidat: Meine Finanzbildung geht gegen null, ich habe noch nie in meinem Leben auch nur einen Euro investiert. All mein Geld liegt auf einem Konto herum und wird durch Inflation weniger, wenn ich es nicht gerade mit beiden Händen ausgebe.

Bevor ich beginne, treffe mich mit Lukas Leys. Der Tiroler ist nicht nur CEO von Kontractory (einer Firma, die sich auf Digitalisierung von Rechtsgeschäften spezialisiert hat), sondern auch seit vielen Jahren im Kryptogeschäft und gibt auch Anfängerseminare.

Vier wichtige Regeln

Das zweistündige Gespräch ist hochinteressant. Ich nehme aus Leys Ausführungen vor allem vier wichtige Regeln für Neueinsteiger mit. Regel 1: Investiere nie Geld, das du dir nicht leisten kannst zu verlieren. Regel 2: Halte dich an große, bekannte Anbieter. Als Laie kann man windige Angebote kaum erkennen. Regel 3: Denk an die Steuer. Die Kryptowelt ist nicht so anarchisch, wie manch einer glaubt, Gewinne sind steuerpflichtig. Regel 4: Informier dich.

Es gibt mittlerweile etliche Youtube-Tutorials zum Traden mit Kryptowährungen, zahlreiche kostenlose beziehungsweise -günstige Online-Akademien und Seminare. Leys zitiert einen berühmten Satz des Investors Warren Buffett: "Investiere nie in etwas, das du nicht verstehst." Sagen wir mal so: An drei dieser Ratschläge habe ich mich gehalten.

Kryptowährungen kauft man auf einer Trading-Plattform. Davon gibt es etliche. Einsteiger sollten sich aber an große Anbieter wie Binance, Coinbase oder Bitpanda halten – siehe Regel 2. Bitpanda ist übrigens ein österreichisches Unternehmen und wird mittlerweile mit vier Milliarden Euro bewertet.

Die Plattformen sind sich im Prinzip ähnlich: Nach einem etwas komplizierten Registrierungsprozess inklusive Identitätsfeststellung kommt man auf eine intuitiv zu bedienende Oberfläche. Man zahlt Geld ein, kann die Kurse von verschiedenen Währungen betrachten und diese kaufen und verkaufen.

Einstieg mit 500 Euro

Die einzelnen Plattformen unterscheiden sich darin, welche Coins dort gehandelt werden. Und im Abrechnungsmodus: Das Konto ist meistens kostenlos, man zahlt eine Gebühr pro Transaktion und bei Ein- und Auszahlung. Die Unterschiede sind nicht riesig, können aber je nach Anlagestrategie durchaus einen Unterschied machen.

Patriotisch, wie ich bin, eröffne ich ein Konto bei Bitpanda, zahle 500 Euro ein und beginne mein Portfolio zusammenzustellen. Es ist ein fast erhabener Moment. Und das nicht nur, weil ich das erste Mal im Leben die Worte "mein Portfolio" benutzen kann. Ich kaufe für 150 Euro Ethereum als Basis und eine ganze Reihe kleinerer Coins dazu.

Ich bin, so ehrlich muss man sein, nur halb gut vorbereitet und mehr nach Gefühl, als ich sollte. Regel 4 zu beachten ist das Schwierigste und Zeitraubendste. Mein Vorgehen ist dumm, kann aber funktionieren. In Experiment hat sich gezeigt, dass eher zufällige Investments statistisch nicht schlecht aussteigen, zumindest kurzfristig. Wie die berühmten Affen, die Aktien auswählen und damit Gewinn machen. Ich hoffe, einer dieser Affen zu sein.

Schlechter Zeitpunkt

Ein paar Vorbemerkungen sind an dieser Stelle zum Verständnis notwendig. Erstens: Es ist nicht die ideale Zeit für dieses Experiment. In den Wochen vor dem Absturz im September steht der Bitcoin regelmäßig bei über 50.000 Dollar, auch die Kurse anderer Kryptowährungen sind verhältnismäßig hoch. Das heißt nicht, dass man jetzt kein Geld machen kann. Aber es gibt deutlich bessere Zeitpunkte für einen Einstieg.

Und dann stehe ich noch vor einem weiteren Problem. Nahezu alle Experten empfehlen für ahnungslose Laien wie mich bei Investitionen eine "Slow and steady"-Taktik. Also bei tendenziell niedrigen Kursen einsteigen, auf mehrere große Schlachtschiffe setzen und das Portfolio dann am besten mal ein Jahr nicht mal anschauen.

Schwankungen gleichen sich meist im Zeitverlauf aus, Panikverkäufe bringen wenig. Diese Taktik ist sinnvoll, aber auch langweilig. Damit lassen sich keine zwei Seiten in der Zeitung füllen. Zum Lernen muss ich mehr kaufen und verkaufen.

Steigen, fallen, steigen

Es beginnt alles nicht so schlecht. Nach Woche eins steht mein Portfolio bei 30 Euro im Plus. Nach Woche zwei steht es 20 Euro im Minus. Das sind alles vergleichsweise lächerliche Zahlen. Aber das ändert nichts daran, dass man ein bisschen den Atem anhält, wenn die Seite lädt und man darauf wartet, ob hinter dem Wert seiner Kryptowährungen ein grünes Plus (Gewinn) oder ein rotes Minus (Verlust) steht.

Und der Körper schüttet trotzdem ein bisschen Adrenalin aus, wenn der Kurs bei einer deiner Währungen fällt und du überlegst, ob du aussteigen sollst. Das Wall-Street-Parkett des kleinen Mannes quasi. Ich werde es bis zum Ende schaffen, auf Panikverkäufe zu verzichten. Die Entscheidung erweist sich als richtig, die Kurse stabilisieren sich stets wieder. Aber es ist psychologisch auch leicht, den Kursverfall bei einer Währung auszusitzen, in die man 100 Euro investiert hat.

Der Sommer schreitet voran, der Wert meines Portfolios mäandert vor sich hin. Die Kurse steigen, fallen und erholen sich. Es geht mal 70 Euro rauf, mal 50 runter. Ich verkaufe immer wieder mal kleinere Währungen mit einem kleinen Gewinn und kaufe neue. Ich schreibe mir auf, was ich besser hätte machen können, bin aber unterm Strich ganz zufrieden mit mir.

Ich hatte drei Ziele: Ich wollte lernen, ich wollte kein Geld verlieren, ich wollte im besten Fall sogar etwas gewinnen. Hat alles geklappt. Aber ich merke auch schnell: So richtig reich werde ich so wohl nicht. Das geheime vierte Ziel – meinen Job an den Nagel zu hängen – bleibt ein Traum.

Marktkapitalisierung

Wäre dieses letzte Ziel im Bereich des Möglichen gewesen? Na ja. Eher nicht mit 500 Euro, aber im Prinzip ja. Mit Kryptowährungen lässt sich sehr schnell sehr viel Geld machen. Es gibt allerdings ein großes Aber. Um den Wert meines Portfolios über Nacht zu verdoppeln oder zu verdreifachen, muss ich in Coins investieren, deren Kurs extrem volatil ist, also sehr stark schwankt.

Diese Coins sind meist Spekulationsobjekte mit geringer Marktkapitalisierung. Man sagt meist, dieser Wert spiegele die "Beliebtheit" einer Kryptowährung wider. Es ist ein bisschen komplizierter, aber Pi mal Daumen gilt: Je geringer die Marktkapitalisierung, desto stärker schwanken die Kurse. Kleine Währungen, die gerne auf Internet-Memes basieren, sind anfällig für Manipulation. Auf den meisten großen Tradingplattformen kann man nicht mit ihnen handeln.

Der Markt der Kryptowährungen ist extrem kompliziert und gleichzeitig oft einfacher, als man denkt.
Illustration: Fatih Aydogdu

Investments in solche Coins sind ein Ritt auf der Rasierklinge. Nehmen wir als Beispiel den Coin "Wifedoge": Hätte ich vorletzten Sonntag für 100 Euro Wifedoge gekauft, hätte ich die Coins Montagmorgen um 300 bis 400 Euro verkaufen können. Das hat aber auch eine Kehrseite: Hätte ich zum Zeitpunkt, als ich mit dem Schreiben dieses Artikels begonnen habe, 100 Euro investiert, wären daraus bei Abgabe ein paar Stunden später 61 Euro geworden.

Solche Kursschwankungen sind bei den Coins mit größerer Marktkapitalisierung nicht ausgeschlossen, aber weniger wahrscheinlich. Hätte ich mein Geld in kleinere Coins investiert, wäre ich jetzt vielleicht reicher. Aber ich hätte auch alles verlieren können.

Elf Prozent Rendite

Als ich das Experiment für beendet erkläre, weiß ich noch nicht, dass ich dafür quasi den idealen Zeitpunkt gewählt habe. Mit meinem Portfolio habe ich in den vergangenen Wochen knapp elf Prozent Rendite gemacht. Das kann man jetzt unterschiedlich bewerten: Natürlich sind elf Prozent deutlich mehr als alles, was ich bei einer Bank bekommen könnte, vor allem verglichen mit einem normalen Sparbuch und für täglich verfügbares Geld.

Aber ganz so einfach ist es dann auch wieder nicht. Ich habe mit einem hohen Risiko angelegt und hätte jederzeit mit einem dicken Minus aufwachen können. Das passiert bei einem Sparbuch nicht, und das Risiko muss man in die Rechnung einbeziehen.

Schicht-Trading

Mit mehr Vorbereitung hätte ich wahrscheinlich mehr richtig machen können, dicke Fehler sind mir aber, glaube ich, nicht passiert. Geld liegen gelassen hab ich durch die unnötig hohe Zahl an Transaktionen, die aber im Kontext dieses Experiments notwendig waren.

Würde ich noch einmal privat anlegen – was ich vermutlich auch tun werde –, würde ich exakt das tun, was mir von Anfang an geraten wurde: auf einen Moment warten, in dem große Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum niedrig liegen, in beide je 1000 Euro investieren und das Ganze dann in Ruhe liegen lassen, bis ich sie zu einem günstigen Zeitpunkt verkaufen kann. Ein Restrisiko bleibt natürlich, aber das ist eine auch für Laien halbwegs sichere und machbare Strategie.

Der Markt der Kryptowährungen ist extrem kompliziert und gleichzeitig oft einfacher, als man denkt. Man kann sich das vielleicht wie ein Meer vorstellen: Es gibt mehrere Schichten, und je tiefer man kommt, desto wilder und weniger verständlich wird die Umgebung.

Weit unten ist der Sauerstoff knapp, man kann schnell viel Geld machen und es schnell wieder verlieren. Wer sich aber mit seinem kleinen Segelboot auf die halbwegs ruhige Wasseroberfläche hinauswagt und keine riskanten Manöver durchführt, der wird vermutlich nicht ganz untergehen.

Nach diesen Wochen voller Käufe, Verkäufe und einigen Fehlern weiß ich jetzt deutlich mehr über Kryptoinvestments. So richtig verstanden hab ich Kryptowährungen allerdings noch lange nicht.

Trotzdem hab ich knapp elf Prozent Rendite gemacht. Das sind zwar nur 55 Euro, aber immerhin ein Gewinn. Was sagst du nun, Warren Buffett? (Jonas Vogt, 19.9.2021)