Die "niederschwelligen" Impfangebote gehen ganz gut, vor allem in Wien. Man muss sich nicht (relativ kompliziert) anmelden, geht einfach in den Impfbus vor der Haustür oder auch in den Stephansdom, das fällt vielen einfach leichter.

Eine intelligente Fortschreibung wäre, dass der riesige Sozialversicherungskomplex, konkret die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK; vormals "Krankenkassa"), einfach die Ungeimpften anschreibt und ihnen einen Impftermin anbietet. Damit wäre für viele, denen der Aufwand des Anmeldens zu groß ist, eine einfache Möglichkeit geschaffen. Der Generaldirektor der ÖGK, Bernhard Wurzer, wäre dazu mehr als bereit, aber: "Wir brauchen dazu einen Auftrag vom Bund."

Ja, und wo ist "der Bund", auch bekannt als Bundesregierung? Auf Tauchstation.

Man hat zu Herbstbeginn ein völlig verwirrendes Maßnahmenpaket verkündet, das einen "Stufenplan" beinhaltete, der eine Woche später wegen "Dynamik" des Geschehens schon nicht mehr gilt. Seither ist Sendepause. Es gibt keinen Plan, keine Aktion, wie man die notwendige Steigerung der Impfrate erreichen könnte.

Allmählich schleicht sich bei kritischen Kennern des türkisen Denkens die Vermutung ein, dass dies nicht nur Inkompetenz sein könnte, sondern Ideologie. Im Kern ist türkises Denken staatsfeindlich. Der Staat soll möglichst zurückgedrängt werden, vor allem in seiner sozialen Komponente. Dass man jetzt damit beginnt, die Bedingungen für Arbeitslose zu verschärfen, ist ein erstes Zeichen. Der entsprechende Schlüsselsatz des Bundeskanzlers Sebastian Kurz stammt von Anfang des Sommers und lautet: "Die Krise (…) wandelt sich von einer akuten gesamtgesellschaftlichen Herausforderung zu einem individuellen medizinischen Problem." Nämlich für Nichtgeimpfte.

Inkonsistente Verbote

Sorry, wir haben schon genug getan, wir können jetzt nicht auch noch eine massive öffentliche Anstrengung zur Überzeugung der Nichtgeimpften starten. Wir behelfen uns mit einem Bündel von inkonsistenten Verboten, die wir einmal lockern, dann verschärfen, aber ein wirklicher öffentlicher Impf-Drive, den man noch dazu schon längst hätte starten müssen, ist nicht unsere Politik. Schauts selbst, wo ihr bleibt (Ausnahme: Wenn es unbotmäßige Medien wagen sollten, an unserer olympischen Ruhe in Sachen Impfratensteigerung Kritik zu üben, dann regen wir uns schon auf. Dafür haben wir ja 59 PR-Fuzzis im Kanzleramt, nicht für so Impfkampagnen).

So könnte man die türkise Grundhaltung interpretieren, die jetzt wieder durchbricht (nachdem der Staat sehr wohl Unsummen zur Aufrechterhaltung der Wirtschaft in der Pandemie lockergemacht hat).

Inzwischen handeln andere. Mandatarinnen von ÖVP, SPÖ, den Grünen und Neos haben in einer gemeinsamen Aussendung an Frauen und Mädchen appelliert, sich impfen zu lassen. Es gäbe keinen Grund, der Forschung und den Experten nicht zu vertrauen. Die FPÖ, Partei der Anti-Impf-Extremisten, schloss sich dem Aufruf nicht an.

Mit einem solchen Aufruf ist es natürlich nicht getan. Eines der größten Impfhemmnisse bei jungen Frauen ist die Furcht, dass Impfen a) unfruchtbar macht oder b) den Monatszyklus manchmal arg durcheinanderbringt. Für Ersteres gibt es null Evidenz, Letzteres ist tatsächlich aufgetreten, nach Auskunft von Medizinerinnen aber ein temporäres Phänomen.

Wer teilt das laut, wiederholt, glaubwürdig, seriös der Öffentlichkeit mit? Unsere Regierung nicht. (Hans Rauscher, 18.9.2021)