Die Gegner der Corona-Politik gehen wieder auf die Straße und spielen sich nun als Verteidiger der Ungeimpften auf, denen Politik und Medien so viel Unrecht antun. Dabei sind die Nachteile, die diese Gruppe gegenüber den Vollimmunisierten erleidet, minimal: regelmäßiges Gratistesten und eine kaum kontrollierbare FFP2-Maskenpflicht im Fachhandel – ein geringer Preis für unverantwortliches Verhalten.

Mehr Grund zum Protestieren hätte die große Mehrheit der Geimpften. Sie könnten so wie in Dänemark die Pandemie hinter sich lassen und zur Normalität zurückkehren, wenn die viel zu hohe Zahl von Impfverweigerern nicht die Infektionszahlen wieder explodieren und das Gesundheitssystem gefährden würde. Sie sind es, denen Unrecht geschieht, durch eine störrische Minderheit, die sich weder durch Fakten noch Appelle von ihrem Irrglauben abbringen lässt.

Eine Maskenpflicht ist lästig, aber akzeptabel.
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Es gibt Menschen, denen aus guten medizinischen Gründen von einer Impfung abgeraten wird. Aber diese kleine Gruppe wäre kein Problem. Die meisten Impfverweigerer folgen pseudowissenschaftlichen Falschmeldungen, populistischen Politikern oder dem inneren Schweinehund namens "Mir wird schon nix passieren".

Es sind die fünf Millionen Geimpften, die Druck auf die Politik ausüben müssen, damit ihre Rechte gewahrt werden. Das Versprechen, es werde keinen neuen Lockdown geben, ist dafür zu wenig.

Impfproblem

Eine Maskenpflicht ist lästig, aber noch akzeptabel. Warum Geimpfte an vielen Orten zusätzliche PCR-Tests abliefern müssen, ist schon weniger verständlich. Was nicht geht, ist, dass große Kultur- und Sportveranstaltungen abgesagt werden, weil man neue Cluster fürchtet. Es ist auch falsch, dass die Teilnehmerzahl am Donauinselfest eingeschränkt wird, ohne dass zwischen Geimpften und Ungeimpften unterschieden wird. Viel besser wäre es gewesen, das Festival nur für Geimpfte zu öffnen.

Völlig inakzeptabel ist, dass Hüftoperationen und andere planbare Eingriffe in diesem Herbst verschoben werden, weil man die Spitalsbetten für den Ansturm ungeimpfter Covid-19-Patienten freihalten will. Die Geimpften brauchen eine Garantie, dass bei ihrer medizinischen Versorgung keine Abstriche gemacht werden. In einem solidarischen Gesundheitssystem kümmert man sich auch um jene, die an ihrem Leid Mitschuld tragen. Aber sosehr die Ärzte auch um die Gesundheit jedes Covid-19-Kranken kämpfen werden, dürfen dabei nicht mehr jene draufzahlen, die sich und andere mit der Impfung schützen.

In den kommenden Wochen wird es wohl zu einer Ausweitung von 2G-Regeln kommen, mit denen Ungeimpfte von öffentlichen Orten ausgeschlossen werden. Das ist legitim, wenn damit die Rechte der immunisierten Mehrheit abgesichert werden, für deren Einschränkung es keine Begründung gibt.

Steigt dadurch der Druck auf genügend Menschen, sich doch noch impfen zu lassen, so wäre das ein nützlicher Nebeneffekt. Gelingt das nicht, müsste man eine Impfpflicht in bestimmten Bereichen ins Auge fassen. Ungeimpftes Personal in Schulen, Pflegeheimen und Spitälern darf es nicht mehr geben.

Bald wird sich das Impfproblem auf andere Weise lösen: Sehr viele Ungeimpfte werden sich im Winter mit der Delta-Variante anstecken und danach hoffentlich zu den Genesenen zählen. Dieser Weg des Risikos steht ihnen offen – aber nicht auf Kosten der Geimpften. (Eric Frey, 18.9.2021)