Derzeit machen Schülerinnen und Schüler in Österreich zumindest einmal pro Woche einen PCR-Test. Nach der dreiwöchigen Schulsicherheitsphase müssen nur noch Ungeimpfte getestet werden.

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Jonas gurgelt und spült. Er wälzt die Salzlösung in seinem Mund von links nach rechts, manchmal wirft er den Kopf in den Nacken und stößt ein paar Luftbläschen in die Flüssigkeit. Er macht das zweimal pro Woche in seiner Volksschule in Wien und manchmal zusätzlich zu Hause. Er kennt die Prozedur. Er kennt auch die verschiedenen Testsysteme.

Daheim verwendet er "Alles gurgelt", das Wiener Testprogramm, das in der Hauptstadt auch ab der Unterstufe in den Schulen angewendet wird. Im Rest des Landes und in den Wiener Volksschulen kommen hingegen PCR-Tests zum Einsatz, die das Bildungsministerium koordiniert.

Das Programm des Bundes nennt sich "Alles spült". Der größte Unterschied für Jonas ist, dass er in der Volksschule die Flüssigkeit kürzer im Mund behalten muss. Warum, verstehe er nicht, sagt Jonas. Damit spricht er im Kleinen eine große Frage des Föderalismus an.

Es geht um Einfluss und Geld

Es beginnt bei den unterschiedlichen Testanbietern, deretwegen ein Streit zwischen Bund und Stadt Wien entbrannt ist. Da geht es um Einfluss und viel Geld für private Labore. Immerhin gibt es 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler in Österreich, die mindestens einen PCR-Test pro Woche abliefern sollen. Das kostet den Staat.

Die Opposition wettert: Die Aufträge seien an Institute mit politischer Nähe vergeben worden. Manche monieren auch, das Wiener Gurgelsystem sei "zu hochschwellig", also für viele zu kompliziert.

Es gibt aber auch Unterschiede in der Strategie: In Wien, wo die Infrastruktur für PCR-Tests so gut ausgebaut ist wie sonst nirgendwo im Land, werden Schülerinnen und Schüler zweimal pro Woche PCR-getestet – weil es eben die Möglichkeit gibt. So werden aber logischerweise auch mehr Covid-Fälle entdeckt. Und dadurch müssen mehr positiv getestete Kinder und Jugendliche in Quarantäne – sowie ihre betroffenen Klassenmitglieder.

606 Klassen in Quarantäne

Konkret befinden sich nach Schulwoche zwei bereits 606 Wiener Schulklassen in Heimisolation. Bedeutet: In fast drei Vierteln aller Schulen ist zumindest eine Klasse gesperrt. In der Hauptstadt legen die Gesundheitsbehörden nämlich auch die Quarantäneregeln strenger aus als anderswo.

In Niederösterreich wurden 101 Klassen geschlossen nach Hause geschickt – das sind sechsmal weniger Klassen als in Wien. Und so hieß es schon sieben Tage nach dem Schulstart: Die Quarantäneregeln müssen geändert – also gelockert – werden. So geschah es dann auch.

Ob all das nun Schulchaos oder "Nachjustierung" genannt wird, hängt davon ab, wen man fragt. Fest steht: Junge Österreicherinnen und Österreicher infizieren sich zunehmend. In Wien sind mehr als die Hälfte der gemeldeten aktiven Fälle Menschen unter 30 Jahren.

Man muss dazusagen: Bei den allermeisten Jungen verlaufen Erkrankungen mild oder gar symptomlos – und die Entwicklung war absehbar. Schließlich gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff für Kinder unter zwölf Jahren – und die Durchimpfungsrate ist bei älteren Altersgruppen deutlich höher. Viele Experten halten deshalb fest: Bis Jahresende werden sich ohne Covid-Kinderimpfung die meisten Jungen infiziert haben.

Ende der dreiwöchigen Sicherheitsphase

In den Schulen ist es nun aktuell so: Die dreiwöchige Sicherheitsphase endet im Osten Österreichs bereits Ende kommender Woche. Danach, so viel steht nach Informationen des STANDARD fest, brauchen geimpfte Schüler dort keine Tests mehr abzugeben. Hier reicht die Erbringung eines Impfnachweises für den Schulbesuch.

Alle anderen Schülerinnen und Schüler müssen wohl weiterhin testen: So sehen es nämlich die Risikostufen 2 und 3 des Bildungsministeriums vor. Stufe 2 ist erreicht, wenn die sogenannte risikoadjustierte Inzidenz der Corona-Kommission über dem Wert 100 liegt. Aktuell befindet sich nur das Burgenland knapp unter dieser Schwelle. Wien und Salzburg sind bereits jetzt jenseits der 200er-Marke.

Aus dem Bildungsministerium von Heinz Faßmann (ÖVP) wird bestätigt, dass diese Pläne weiterhin gelten. Damit wolle man ältere Schüler zum Impfen animieren. In Wien sollen Schülerinnen und Schüler jedoch weiterhin zweimal anstatt bloß einmal die Woche PCR-getestet werden, heißt es am Freitag aus dem Büro von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos).

Test-Chaos West und Ost

Die bisherigen Schultestungen sind jedenfalls im Westen wie im Osten ganz und gar nicht problemlos verlaufen – weder bei "Alles spült" noch bei "Alles gurgelt". Einige Schulen meldeten logistische Probleme bei der Zustellung und Abholung der Tests, andere erhielten die Testergebnisse nicht rechtzeitig.

Landesbehörden waren bei Rückfragen überlastet, was für Ärger bei betroffenen Eltern und Lehrkräften sorgte. Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) berichtete zudem, dass in einem Fall 70 Tests nicht abgeholt, aber als negativ ausgewiesen worden seien. Bei einigen Infektionsfällen wurden zudem Schulen zu spät verständigt.

Eine weitere Panne beim "Alles spült"-Programm des Bundes: Wie Der STANDARD in Erfahrung bringen konnte, sollen von 50 positiven Tests in Wiener Volksschulen acht Ergebnisse so spät zugestellt worden sein, dass die betroffenen Kinder noch den gesamten nächsten Tag in der Schule saßen.

Verschiedene Zahlen

Das Bildungsministerium betont, dass sich die Logistik von "Alles spült" mittlerweile eingespielt habe. Kritisiert wird hingegen die Rücklaufquote bei den PCR-Tests von "Alles gurgelt": Diese soll in Wiens Gymnasien zuletzt lediglich 52 Prozent, in den Neuen Mittelschulen bloß 44 Prozent betragen haben.

Diese Prozentsätze kann man in Wien nicht nachvollziehen. Man habe es nur noch nicht geschafft, jene Schüler, die bereits bei "Alles gurgelt" registriert waren, Schulen zuzuordnen, heißt es aus dem Büro von Wiederkehr. Es handle sich um ein Datenvernetzungsproblem. Tatsächlich hätten sich 77 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Wien zweimal in dieser Woche über "Alles gurgelt" testen lassen.

Durch die am Donnerstag in Kraft getretenen Quarantäneregeln erhofft sich Wiederkehr "Erleichterungen". Damit meint er: künftig viel weniger gesperrte Klassen und Schüler in Quarantäne. So werden nur noch jene Schülerinnen und Schüler zu Hause bleiben müssen, die direkte Sitznachbarn – im Radius von zwei Metern – des positiv getesteten Klassenmitglieds sind.

Auch weitere enge Kontaktpersonen können in Quarantäne geschickt werden. Betroffene können sich zudem bereits nach fünf Tagen per PCR-Test freitesten. Bisher war das nach zehn Tagen möglich.

Schulabmeldungen

Experten sind skeptisch: Die Virologin Dorothee von Laer hält die Idee, nicht mehr die gesamte Klasse in Quarantäne zu schicken, für wenig zielführend. Die Delta-Variante mache es "relativ wahrscheinlich", dass sich auch Kinder, die weiter entfernt sitzen, anstecken.

Ähnlich argumentiert der Mikrobiologe und Leiter der Schul-Gurgeltest-Studie, Michael Wagner: Man könne sich eine infizierte Person in einer Klasse wie jemanden vorstellen, der dort eine Zigarette raucht. "Jeder, der den Rauch riechen könnte, kann sich auch angesteckt haben."

Die Corona-Pandemie hat jedenfalls auch massive Auswirkungen auf die Zahl der Schulabmeldungen: 7515 Kinder wurden österreichweit für den häuslichen Unterricht abgemeldet, im Vorjahr waren es rund 2600. Die meisten Abmeldungen gab es mit 2049 in Niederösterreich, in Oberösterreich waren es 1427.

Insgesamt betrafen fast 5000 Abmeldungen den Volksschulbereich. (David Krutzler, Katharina Mittelstaedt, 18.9.2021)