Xiulin Ruan mit seiner Erfindung.

Foto: Purdue University/John Underwood

Je dünkler eine Oberfläche, desto mehr Wärme aus dem Sonnenlicht absorbiert sie. Diese einfache physikalische Grundregel kann jeder mit einem großen, dünnen, schwarzen Müllsack austesten. Aufgeblasen und gut verschlossen lässt sich dieser, Kraft des Auftriebs warmer Luft, in einen Heißluftballon verwandeln. Junggebliebene erinnern sich vielleicht auch an den "Solar-Zeppelin", der einst dem "Yps"-Heft beigelegt war und auch heute noch als Gadget erhältlich ist.

Helle Farben hingegen reflektieren größere Teile des Sonnenlichts, weswegen ein weißer Müllsack für ein solches Experiment ungeeignet wäre. Genauer gesagt: Je besser eine Farbe reflektiert, desto heller erscheint sie. Genau diese Eigenschaft wollen sich Forscher zu anderen Zwecken zunutze machen. An der Purdue University hat man die – auch laut Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde – "weißeste" Farbe der Welt erfunden. Sie könnte künftig zur Ausmusterung von Klimaanlagen beitragen.

Farbe emittiert mehr Wärme, als sie aufnimmt

Am Markt erhältliche weiße Farben reflektieren im besten Fall 80 bis 90 Prozent der Sonnenstrahlung. Der neu entwickelte Anstrich reflektiert bis zu 98,1 Prozent der Strahlung und emittiert gleichzeitig selbst auch Wärme im Infrarotspektrum. Das Geheimnis dahinter soll ein hoher Anteil an Bariumsulfat in unterschiedlichen Partikelgrößen sein. Letzteres dient dazu, die Reflexion möglichst vieler verschiedener Frequenzspektren zu erzielen.

In diesem Podcast spricht Xiulin Ruan über die Farbe, die er erfunden hat.

Damit gelingt es, einen wichtigen Schwellenwert zu überspringen. Die Farbe emittiert im Infrarotbereich mehr Wärme als sie über die Sonnenstrahlung über hauptsächlich sichtbares Licht aufnimmt. Damit bestrichene Oberflächen werden also unter Umgebungstemperatur gekühlt, ohne Strom zu verbrauchen.

Eine genauere Erklärung des Wirkprinzips der Farbe liefert Scienceblogs.at. Sieben Jahre lang tüftelten die Wissenschaftler rund um Xiulin Ruan, professor für Maschinentechnik, bereits am Rezept.

Klima-Tool

Ihre Eigenschaften machen die Farbe zu einem potenziell wirkmächtigen Werkzeug im Kampf gegen den Klimawandel, speziell in wärmeren Regionen der Welt, in denen Klimaanlagen gang und gäbe sind. Gebäude damit zu streichen, könnte den Einsatz elektrisch betriebener Kühlung unnötig machen oder zumindest deutlich verringern – abhängig natürlich auch von der restlichen baulichen Eigenschaften.

Auf einer Fläche von 1000 Quadratfuß (knapp 93 Quadratmeter) summiert sich die Kühlleistung der Farbe auf zehn Kilowatt, rechnet man vor. In vielen Fällen wäre das konkurrenzfähig zu Klimaanlagen. Rein theoretisch, so erklärt man laut Guinness-Buch, müssten nur 0,5 bis ein Prozent der Erdoberfläche bemalt werden, um die aktuellen Temperatureffekte des Klimawandels zu revidieren.

Die Erfindung soll auch bald das Labor verlassen. Denn die Wissenschaftler haben für ihre Erfindung nicht nur ein Patent angemeldet, sondern sind auch eine Kooperation mit einem nicht näher genannten Unternehmen eingegangen. Mit deren Hilfe soll der Herstellungsprozess skaliert und die Farbe als kommerzielles Produkt auf den Markt gebracht werden. (gpi, 18.9.2021)