Wenn ohnehin vor einer Wahl schon klar ist, dass man Erster wird, dann wird die Messlatte zur Definitionsfrage: Landeshauptmann Thomas Stelzer will daher ein "klares Ergebnis".

Wolfgang Simlinger

Die Stimme wahlkampfbedingt leicht angeschlagen, der kleine Schwarze als zusätzlicher Tagesturbo auf dem ÖVP-Tisch. Der oberösterreichische Landeshauptmann und ÖVP-Chef Thomas Stelzer scheint eine Woche vor dem Termin bereit für seine erste Landtagswahl.

STANDARD: Der Bezirk Braunau ist nun pandemiebedingt abgeriegelt. Hätten Sie als Landeshauptmann und oberster Krisenmanager nicht deutlich früher Maßnahmen ergreifen müssen?

Stelzer: Wir haben den ganzen Sommer und auch jetzt, und zwar nicht nur im Bezirk Braunau, versucht, die Impfung niederschwellig an die Leute zu bringen. Wir müssen mit der Impfung größtmöglich in die Breite kommen.

STANDARD: Dennoch war die Situation absehbar. Die Impfquote im Bezirk Braunau liegt bei gut 50 Prozent, bereits mit Mitte September war der kritische Wert von 300 bei der Sieben-Tage-Inzidenz überschritten. Inwieweit steht vielleicht doch der aktuelle Wahlkampf in Oberösterreich einer rigoroseren Maßnahmenpolitik im Weg?

Stelzer: Die wichtigste Messlatte, die wir jetzt haben, ist die Belegung der Intensivbetten. Und solange die in einem vertretbaren Ausmaß bleibt, so lange kommen wir auch gut durch. Das gilt auch für das Innviertel. Aber da wir dort eine Kombination verschiedener Faktoren haben, ist jetzt die Bundesregel in Kraft getreten.

STANDARD: Womit Sie meiner eigentlichen Frage elegant ausgewichen sind. Noch einmal: Inwieweit spielt der Wahlkampf in der aktuellen Corona-Maßnahmenpolitik eine Rolle?

Stelzer: Corona beschäftigt alle, und Corona hält sich auch an keine Wahltermine. Auch die Corona-Maßnahmen, die der Bund jetzt gesetzt hat, etwa mit dem Stufenplan, sind nicht an Wahlterminen orientiert. Sondern vielmehr an dem Erreichen von Intensivbetten.

STANDARD: Aber im Wahlkampf hat man doch das Thema bislang bewusst ausgespart, oder?

Stelzer: Bitte, wir sind aus der Krise sehr gut herausgekommen. Und zwar nicht, weil wir das Thema Corona negiert haben. Etwa wenn man schaut, wie es Oberösterreich wirtschaftlich geht. Wir haben heute einen Rekord an Arbeitsplätzen. Aber natürlich war und ist Corona immer ein Thema, weil uns das Virus leider nicht verlassen wird.

STANDARD: Oberösterreich ist bei der Impfquote Schlusslicht. Warum gibt es aktuell etwa keine zielgruppenspezifischen Impfkampagnen?

Stelzer: Wir haben ja eine große Befragung gemacht, um eben herauszufinden, wo die Ängste sitzen. Und es sind zum Beispiel junge Frauen, die unsicher sind. Und genau darauf baut jetzt unsere neue Infokampagne auf. Wir werden geduldig Fragen beantworten und so Ängste nehmen. Und zusätzlich gibt es ein sehr niederschwelliges Impfangebot.

STANDARD: Politisch gesehen ist das Innviertel weitgehend blau. Ein Wählerpool also, in dem auch die ÖVP momentan sehr aktiv fischt. Ist es da für Sie nicht schwieriger, jetzt die Pandemiezügel deutlich straffer zu ziehen?

Stelzer: Ich möchte gerne von vielen im Land gewählt werden. Dennoch gibt und gab es nie für eine Region aus wahltaktischen Gründen eine Sonderbehandlung.

STANDARD: Laut jüngsten Umfragen liegt die ÖVP aktuell bei rund 38 Prozent. Ihre Zielvorgabe waren immer mindestens 40 Prozent. Macht Sie das heute schon unrund?

Stelzer: Das klare Wahlziel ist, deutlich Erster zu werden. Ich möchte natürlich gegenüber dem letzten Wahlergebnis zulegen. Aber eben deutlich vor dem Zweiten sein. Aber bei dieser Wahl treten erstmals elf Parteien an. Und es sind am Ende auch nur 100 Prozent.

STANDARD: Klar ist dennoch heute schon, dass die ÖVP den ersten Platz halten wird. Ist es nicht schwierig, die eigenen Leute zu mobilisieren?

Stelzer: Das ist sehr wichtig. Daher meine Grundbotschaft: Wir brauchen ein klares Ergebnis.

STANDARD: Als ÖVP in Oberösterreich hat man sich, vor allem unter Ihrem Vorgänger Josef Pühringer, gern als Partei der Mitte definiert. Unter Ihrer Führung gab und gibt es aber doch immer wieder sehr klare Ansätze, die FPÖ rechts zu überholen. Etwa auch im aktuellen Wahlkampf konkret bei den Themen Sicherheit und Integration – hat man als ÖVP die Mitte nicht längst schon verlassen?

Stelzer: Wir stehen weiterhin in der Mitte. Das Empfinden der Leute, was Mitte ist und wie wir unsere Mitte definieren, ändert sich aber natürlich mit den gesellschaftlichen Herausforderungen und Themen. Bei den Bereichen, was Gesellschaft heute braucht und worüber sich Leute heute Gedanken und Sorgen machen, sind wir als ÖVP sehr mittig aufgestellt.

STANDARD: Sowohl Grüne als auch Blaue buhlen bereits im Wahlkampf um die Gunst der ÖVP. Das ist doch eine durchaus komfortable Position für Sie, oder?

Stelzer: Ich will möglichst viel von dem, was wir uns vornehmen, umsetzen können. Und da werden wir schauen, mit wem das am besten möglich ist. Es gibt im Vorfeld sicher keine Festlegung.

STANDARD: Aber welche Partei ist Ihnen jetzt persönlich näher?

Stelzer: Das hängt vor allem von den Gewichten ab, die sich nach der Wahl ergeben. Und mit wem sich das Paket letztlich schnüren lässt.

STANDARD: Mit der FPÖ scheint die Zusammenarbeit ja sehr friktionsfrei funktioniert zu haben. Rein rechnerisch wird sich wohl eine schwarz-blaue Neuauflage auch ausgehen. Also welchen Grund hätten Sie für einen Partnertausch?

Stelzer: Jede Wahl verteilt die Gewichte neu. Und jedes Mal ist es daher eine neue Situation.

STANDARD: Dann versuche ich es umgekehrt. Sind die Grünen nicht der schwierigere Partner. Etwa in den Bereichen Klimaschutz oder Integration?

Stelzer: Eine Koalition heißt immer, dass man mit wem zusammenkommt, der manche Dinge ganz anders sieht. Aber es müssen die Gespräche ergeben, wie viel man bereit ist, aufeinander zuzugehen. Aber ja, wir haben bislang mit der FPÖ gut zusammengearbeitet. Das Thema wird aber künftig natürlich sein, ob das eine oberösterreichische Bewegung bleibt oder sich eben der Kickl-Kurs durchsetzt.

STANDARD: Ihr Vize Manfred Haimbuchner meinte jüngst, dass die Impfung "kein Gamechanger" sei. Inwieweit ist die Corona-Haltung der FPÖ für Sie ein Problem?

Stelzer: Da brauche ich nicht lange diskutieren. Die Impfung ist das einzige Mittel, das hilft. Wenn andere es nicht so sehen, müssen es die Wähler beurteilen. Ich bin auch gar nicht sicher, wie viel ehrliche Meinung und wie viel Wahltaktik ist. (Markus Rohrhofer, 20.9.2021)