Während die Bären hier auf der ehemaligen Gefängnisinsel Sachalin Fisch jagen, will Russland mit Wasserstoff nach neuen Geschäftsfeldern fischen.

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Weg vom Schmuddelimage: Russlands Energiekonzerne verfolgen die klimapolitischen Entwicklungen in der EU ganz genau, um bei der bevorstehenden Energiewende nicht abseits zu stehen. Statt Öl, Gas und Atomstrom wollen sie künftig Wasserstoff in Europa absetzen.

Dafür setzen sie auf hochmoderne Technologien und neue Projekte. Ein Testfeld für die Gewinnung von Wasserstoff soll Sachalin werden. Schon jetzt ist die einstige Gefängnisinsel nördlich von Japan einer der wichtigsten Energieproduzenten innerhalb Russlands. Vor der Küste lagern gigantische Öl- und Gasvorräte, die erst vor kurzer Zeit erschlossen wurden.

Anfang September, beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok, hat die Gebietsregierung mit dem Gasmonopolisten Gazprom und der staatlichen Atomholding Rosatom eine Absichtserklärung über die Entwicklung von Wasserstofftechnologien unterzeichnet. Wir "sind daran interessiert, dass sich auf dem Territorium unserer Region eine saubere Energiewirtschaft entwickelt, die Menschen und Natur keinen Schaden zufügt", erklärte Gouverneur Waleri Limarenko.

Bau soll 2030 fertig sein

Unter anderem geht es um den Aufbau einer Produktionsstätte für Wasserstoff bis 2030. Der Produktionsbeginn ist ab Ende 2024 geplant, zunächst mit einer Kapazität von 30.000 Tonnen pro Jahr. In der Endausbaustufe soll die Fabrik jährlich 100.000 Tonnen Wasserstoff liefern. An dem Projekt soll auch die französische Air Liquide, ein Weltmarktführer bei der Produktion von Industriegasen, beteiligt werden.

Prinzipiell verfüge die russische Atomwirtschaft sowohl bei der Elektrolyse als auch bei der Dampfreformierung über großes Know-how und Potenzial, meint Anton Moskwin, Vizepräsident von Rusatom Overseas, der für Export zuständigen Tochter von Rosatom. Im vorliegenden Fall soll seinen Angaben nach allerdings das vor der Insel reichlich vorhandene Erdgas mittels Dampfreformierung in Wasserstoff umgewandelt werden. Damit der Prozess umweltfreundlich bleibt, ist geplant, das dabei anfallende Kohlendioxid aufzufangen.

Über die Kosten des Projekts gibt es noch keine Angaben. Im Frühjahr hatte die Wirtschaftszeitung Kommersant die nötigen Investitionen noch auf etwa 2,5 Milliarden Euro taxiert. Allerdings ging das Blatt davon aus, dass Rosatom die nötige Energie für die Wasserstoffproduktion aus schwimmenden Kernkraftwerken gewinnen wolle. Moskwin dementierte das gegenüber dem STANDARD: "Es ist wichtig festzuhalten, dass wir auf Sachalin keine Atomkraft für die Wasserstoffproduktion verwenden", teilte er mit.

Sachalin soll damit einerseits zum Exporthub für Wasserstoff in den asiatisch-pazifischen Raum ausgebaut, andererseits innerhalb Russlands selbst zum Vorreiter für die Verwendung des Brennstoffs werden, vor allem bei Energieversorgung und Transport. Die Produktionsstätte soll der Ausgangspunkt für einen Wasserstoffcluster auf der Insel werden. Auch ein Kompetenz- und Forschungszentrum der örtlichen Universität ist angedacht.

Blick auf den Weltmarkt

Das Pilotprojekt ist für Russland wichtig, um sich auf dem Weltmarkt zu positionieren. Moskwin kündigte weitere Projekte an, die auch auf den Export speziell nach Europa ausgerichtet sind. Allerdings offenbart sich dabei ein unterschiedliches Verständnis von Umweltfreundlichkeit in Moskau und Brüssel: Die EU ist am Import von Wasserstoff interessiert, der mithilfe erneuerbarer Energien erzeugt wurde. Moskwin bekräftigte, dass Rosatom neben Windkraftanlagen auch künftig Atomkraftwerke an der Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse beteiligen will. (André Ballin aus Moskau, 20.9.2021)