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Drei Tage lang durften die Russinnen und Russen wählen. Der Andrang war mehr als überschaubar.

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Gennadi Sjuganow, dessen Kommunisten ersten Ergebnissen zufolge zweitstärkste Partei wurden, auf dem Weg ins Wahllokal.

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Moskau – Bei der Parlamentswahl in Russland hat nach Auszählung von mehr als 85 Prozent der Stimmzettel die Kreml-Partei Einiges Russland mehr 49,8 Prozent der Stimmen erreicht. Die Kommunisten erhielten mehr als 19,6 Prozent. Die rechtspopulistische Partei LDPR des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski erzielte knapp acht Prozent und die Partei Gerechtes Russland etwas mehr als sieben Prozent.

Die Parteien sind allesamt systemtreu und auch bisher schon in der Duma vertreten gewesen. Als fünfte Partei kann sich die neue Kraft Nowyje Ljudi (Neue Leute) Hoffnung auf den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde machen. Sie kam den ersten Ergebnissen zufolge auf knapp fünf Prozent.

Moskauer Online-Stimmen noch nicht veröffentlicht

Mehr als 15 Stunden nach dem Schließen der Wahllokale in der russischen Hauptstadt haben die Behörden noch immer nicht die Verteilung jener Stimmen veröffentlicht, die mehr als zwei Millionen Wähler in Moskau bei den russischen Parlamentswahlen per Internet abgegeben haben. Während Kreml-Kritiker Manipulationen befürchteten, gingen Kreml-nahe Experten davon aus, dass Einiges Russland im Internet noch deutlich besser abschneiden würde als bei den Stimmen im Wahllokal.

Moskau war bei den russischen Parlamentswahlen zwischen Freitag und Sonntag eine von sieben Regionen, in denen via Internet abgestimmt werden konnte. Bereits jeder zweite von insgesamt vier Millionen aktiven Wählerinnen und Wählern in der russischen Hauptstadt präferierte diese Art der Stimmabgabe.

Während die Internet-Ergebnisse der weiteren sechs Regionen am Sonntagabend veröffentlicht wurden, verzögerte sich die ebenso für die Abendstunden angekündigte Veröffentlichung der Moskauer Ergebnisse. Theoretisch hätte das Ergebnis per Knopfdruck nach Schließen der Wahlmöglichkeit sofort ermittelt werden sollen.

Kremlkritiker und Oppositionelle brachten am Montag die Verzögerung mit groß angelegten Manipulationen des Internet-Wahlergebnisses in Verbindung, Vertreter der Kommunisten forderten seine Annullierung.

Putin plant Verfassungsänderung

2016 holte Einiges Russland 54 Prozent der Stimmen und stolze 203 der 225 Direktmandate. Die Duma gilt als wichtig, da sie die Verfassung absichern soll, die Wladimir Putin 2024 ein erneutes Antreten bei der Präsidentenwahl ermöglicht.

Die Wahlbeobachter wurden von den Parteien gestellt – unabhängige Beobachter der NGO Golos wurden als "ausländische Agenten" von vornherein ausgesperrt. Ihr Elan ist aber oft begrenzt, so wie jener der Parteien auch. Denn Wahlfieber war kaum zu spüren: In Moskau hängen zwar vereinzelt Plakate, doch von einem heißen Wahlkampf lässt sich nicht sprechen. Die Parteien hielten sich mit ihrer Reklame zurück, die meisten Billboards sind weiterhin von Supermärkten, Hightech-Anbietern und Autoverkäufern besetzt.

Niedrige Wahlbeteiligung

An den U-Bahn-Stationen haben in den vergangenen Wochen neben Einiges Russland höchstens noch die Populisten der LDPR und die sozialliberale Partei Jabloko den Moskauern ihre Wahlzettel in die Hand gedrückt. Landesweit sind zudem die Kommunisten aktiv. Der Rest der insgesamt 14 zugelassenen Parteien ist praktisch nicht präsent.

Auch die Wähler bleiben aus. Trotz der Verlängerung der Abstimmung auf drei Tage – offiziell damit begründet, wegen Covid-Gefahr Schlangen vor den Wahllokalen vermeiden zu wollen – liegt die Wahlbeteiligung gerade einmal bei etwa 50 Prozent. So viel waren es auch vor fünf Jahren.

Und das, obwohl die Behörden wieder in einigen Regionen staatliche Angestellte massiv zur Wahl gedrängt haben. Im südrussischen Rostow haben zudem tausende Einwohner der Separatistengebiete im ukrainischen Donbass abgestimmt. Einige von ihnen erhielten Berichten zufolge ihren russischen Pass direkt vor dem Wahlbüro. Der Chef der "Donezker Volksrepublik", Denis Puschilin, gab an, 825 Busladungen und zwölf Eisenbahnwaggons an Wählern nach Russland organisiert zu haben. Diese stimmten mehrheitlich für Einiges Russland.

Kampf gegen Smart Voting

Namhafte Kandidaten der außerparlamentarischen Opposition wurden gar nicht erst registriert. So versagte die Zentrale Wahlkommission Ilja Jaschin und Ljubow Sobol wegen deren Verbindungen zu Alexej Nawalny die Teilnahme. Gegen den einstigen Duma-Abgeordneten Dmitri Gudkow wurden im Mai Untersuchungen wegen angeblicher Korruption eröffnet. Gudkow hatte zuvor angekündigt, bei der Wahl antreten zu wollen.

So spitzte sich der Kampf zuletzt auf das sogenannte Smart Voting zu, eine Wahlkampftechnologie von Nawalny, bei der alle Stimmen der Opposition auf den im jeweiligen Wahlkreis aussichtsreichsten Gegner des Kreml-Kandidaten gebündelt werden sollen. Die Behörden verboten die Veröffentlichung von Links zum Smart Voting. Neben der russischen Suchmaschine Yandex haben sich auch der Internetriese Google und der Messenger Telegram den Vorgaben aus Moskau gebeugt. (André Ballin aus Moskau, APA, 20.9.2021)