Stärkere Pensionserhöhungen bringen den Betroffenen zu wenig, um der Armutsgefährdung zu entgehen.

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Es gab eine Zeit, da hatte für die ÖVP die Budgetdisziplin höchste Bedeutung – und damit die Disziplin bei der Gestaltung der sozialen Pensionsversicherung: Diese sollte dem Zugriff populistischer Politiker entzogen werden, damit nicht etwa vor Wahlen großzügige Regelungen als Wahlzuckerln für Pensionisten eingeführt werden. Stattdessen sollten sich die Eckpunkte der Pensionsversicherung streng an objektiven Werten orientieren.

Diese Haltung hat der Volkspartei wenig Sympathien eingebracht – sie hatte Mitschuld am Scheitern der Regierung Gusenbauer/Molterer im Jahr 2008, und sie wurde der ÖVP von den Wählern wenig gedankt. Denn das rote Argument, man könne Sozialpolitik nicht einem "kalten Computer" überlassen, war viel eingängiger. Im Laufe der inzwischen vergangenen Jahre wurde es von vielen ÖVP-Politikern übernommen: Statt mit kalter Berechnung begegne man den Pensionisten und den am Übergang zum Ruhestand stehenden Beschäftigten mit warmherziger Großzügigkeit!

Vielleicht wird es einem ja bei der nächsten Wahl – etwa in einer Woche in Oberösterreich – von der alternden Wählerschaft gedankt.

Ein Stückchen großzügiger

So ist zu verstehen, dass die Pensionsanpassung 2022 für viele Bezieherinnen und Bezieher ein Stückchen großzügiger ausfallen wird, als es die kalten Berechnungen hergeben würden. Diese setzen nämlich bei der durchschnittlichen Inflationsentwicklung zwischen August des Vorjahres und Juli des aktuellen Jahres – also vor dem sprunghaften Anstieg im Herbst – ein. Da kommen eben die für höhere Pensionen gesetzlich vorgesehenen 1,8 Prozent heraus.

Fairerweise muss man einräumen, dass die kräftigere Erhöhung von drei Prozent für die niedrigeren Einkommen nicht nur dem Wahltermin geschuldet ist. Dahinter stehen eine Reihe mehr oder weniger guter Absichten.

Ausgleich stärkerer Geldentwertung

Offensichtlich ist die Absicht, die stärkere Geldentwertung der letzten Monate speziell für besonders Bedürftige auszugleichen – so hat es Bundeskanzler Sebastian Kurz argumentiert und damit prompt linke Kritiker auf den Plan gerufen, denen drei Prozent auch noch zu wenig erscheinen. Speziell aus Sicht der SPÖ, aber auch aus jener der Grünen sollen die Pensionen ja dazu dienen, Altersarmut zu verhindern – weshalb dort besonders zu den kleinen Pensionen hin umverteilt werden sollte.

Damit wird aber das Wesen der Sozialversicherung ausgehöhlt: Diese basiert auf dem Prinzip, dass Ruheständlern mit dem Pensionsbezug ein Leben auf einem ähnlichen Niveau wie während des Erwerbslebens ermöglicht werden soll. Wer viel verdient hat, hat demnach mehr Anspruch – wer wenig verdient hat, bekommt eben auch wenig heraus. In der Praxis trifft das vor allem Frauen mit weniger Beitragsjahren und längerer, schlecht bezahlter Teilzeitarbeit. Da kommt wenig Pension heraus.

Systemwidrig und wenig treffsicher

Dies über stärkere Pensionserhöhungen ausgleichen zu wollen ist systemwidrig – und noch dazu wenig treffsicher. Für die Betroffenen bringt es zu wenig, um der Armutsgefährdung zu entgehen – und nebenbei bekommen jene eine kräftige Erhöhung der österreichischen (Teil-)Pension, die diese nur neben einem weiteren (ausländischen) Pensionsbezug haben.

Wer den Armutsgefährdeten treffsicher helfen will, muss das gezielt, etwa mit Direktzahlungen, tun. (Conrad Seidl, 19.9.2021)