Scharfer Kritiker der Regierungspolitik: Walter Pöltner.

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"Ich sehe keinen Sinn mehr in meiner Funktion": So begründet Walter Pöltner, warum er nicht mehr oberster Wächter über die finanzielle Stabilität des Pensionssystem sein will. Knapp zwei Jahre lang fungierte der heute 69-Jährige Jurist als Leiter der staatlich eingesetzten Alterssicherungskommission. Nun wird er, wie der STANDARD erfuhr, zurücktreten. "Ich kann in der Politik keinen Ansatz der Verantwortung zwischen den Generationen erkennen", sagt Pöltner.

Auch wenn er es nicht so deutlich ausspricht: Es liegt auf der Hand, dass Pöltner nicht zuletzt aus Protest gegen die jüngst angekündigte Pensionserhöhung zurücktritt. Erst am Wochenende haben die Regierungsparteien ÖVP und Grüne beschlossen, die Altersbezüge nicht bloß – wie gesetzlich vorgesehen – mit einem Plus von 1,8 Prozent an die Teuerung anzugleichen, sondern Pensionen unter 1.300 Euro im Monat nach einem gestaffelten System um bis zu drei Prozent zu erhöhen. Die Kosten der heurigen Pensionsanpassung steigen laut Sozialministerium damit von 830 Millionen auf 1,1 Milliarden Euro.

Mückstein verteidigt Pensionserhöhung

Pöltner, der einst Sektionschef im Sozialministerium, Kurzzeit-Übergangsminister und SPÖ-Mitglied war, hat schon in der Vergangenheit die Politik scharf wegen teurer Beschlüsse kritisiert. Die Neuauflage der sogenannten Hacklerregelung, die nach 45 Arbeitsjahren eine Frühpension mit 62 Jahren ohne Abschläge erlaubt, nannte er im STANDARD-Gespräch "unverantwortlich und arbeitnehmerfeindlich".

Auf den Rücktritt Pöltners angesprochen, verteidigte Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Rande einer Pressekonferenz am Montag die kürzlich beschlossene Pensionserhöhung. Er halte den Schritt für eine "gute Regelung", diese sei "sozial treffsicher".

Die Neos hingegen sehen in Pöltners Rücktritt einen "dringenden Warnruf". Parteichefin Beate Meinl-Reisinger und Sozialsprecher Gerald Loacker meinten in einer gemeinsamen Aussendung, der Rücktritt zeige, dass Generationengerechtigkeit für diese Regierung ein Fremdwort sei. Die Schieflage im Pensionssystem werde immer größer, doch die Regierung kündige lieber Wahlzuckerln an. Für Meinl-Reisinger ist die Pensionsanpassung ein "Wählerkauf". (Gerald John, red, 20.9.2021)