Der Lockdown 2020/21 sorgte nicht nur für Umsatzeinbußen in der Gastronomie, sondern auch für Langeweile bei Jugendlichen. Ein damals 15-Jähriger drohte aus diesem Grund in einem Livechat mit Bundeskanzler Sebastian Kurz mit einem Amoklauf im Stephansdom.

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Wien – "Es war Lockdown, mir war langweilig, und meinen zwei Freunden auch", verrät der 16-jährige Angeklagte M. dem Schöffensenat unter Vorsitz von Daniela Zwangsleitner. Um die pandemiebedingte jugendliche Fadesse zu beenden, hatte einer der Freunde am heurigen 7. April einen Hinweis: "Er hat gesagt, unser Herr Bundeskanzler ist in einem Livechat auf Instagram." Das Trio nahm an der Veranstaltung teil – und M. sitzt nun wegen versuchten Landzwangs vor Gericht.

Denn der Teenager soll bei der virtuellen Fragestunde mit über 5.000 Zugeschalteten den Satz "Ich mach Amoklauf, 10. 4., 13 Uhr Stephansdom" gepostet haben. Offenbar ging das in der Flut der Postings zunächst unter, am Abend des 9. April standen dann allerdings die Cobra und der Verfassungsschutz vor der Wohnungstür von M.s Eltern und nahmen den Sprössling fest.

Unbeantwortete Fragen zu Fußball und Lockdown-Ende

"Ich wollte sozusagen Aufmerksamkeit", sagt der unbescholtene Österreicher und macht mit den Fingern die Gesten für Anführungszeichen, als er Aufmerksamkeit sagt. Heute tue es ihm furchtbar leid, damals habe er sich geärgert. Denn Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte ihm auf zwei Fragen, die er schriftlich gestellt hatte, keine Antwort gegeben. Die Fragen waren: "Wann kann man wieder in Hallen Fußball spielen?" sowie "Wann endet der Lockdown?"

Vorsitzende Zwangsleitner hat allerdings eine Frage: "Warum haben Sie kurz danach den Chat verlassen? Vielleicht hätte der Herr Bundeskanzler ja noch darauf geantwortet?" – "Ich bleib doch nicht den ganzen Tag in dem Chat", verweist der schmächtige Jugendliche auf die oft altersgemäße begrenzte Aufmerksamkeitsspanne. "Was ein Amoklauf ist, wissen Sie aber schon?" – "Ja, wir haben in der Schule einmal über einen Amoklauf in einer Schule in den USA gehört" – "Was ist da passiert?" – "Da ist ein Schüler gekommen, ich glaube, mit einer Schere." – "Und was hat der gemacht?" – "Mitschüler umgebracht." – "Können Sie verstehen, dass sich Menschen fürchten, wenn Sie sagen, Sie machen einen Amoklauf im Stephansdom?" – "Ja", antwortet M. zerknirscht.

Hitler- und Bin-Laden-Bilder von "blöden Freunden"

Auf seinem sichergestellten Mobiltelefon wurden in Whatsapp-Gruppen auch Bilder von Adolf Hitler samt "Salam Aleikum"-Sprechblase, Osama bin Laden und einem Jugendlichen mit schwarzer Waffe gefunden. "Die habe ich geschickt bekommen", beteuert der Jugendliche. "Meine Freunde, also die damaligen, sind halt blöd." Er wolle jetzt aber in gar keiner Gruppe mehr sein, schwört er dem virtuellen Raum ab.

Seine Verteidigerin verweist auf die beiden Journalistinnen B. und G. und den Journalisten in den Zuseherreihen und will von ihrem Mandanten wissen, ob er der Öffentlichkeit etwas mitzuteilen hat. "Ja klar, ich entschuldige mich bei allen! Es war ein Blödsinn!", warnt er vor Nachahmung.

Sowohl seine Rechtsvertreterin als auch die Bewährungshelferin und die Erhebungen der Jugendgerichtshilfe zeigen eine ausgezeichnete Zukunftsprognose: M. hat mittlerweile einen Arbeitsplatz, ist reflektiert und hat sich an alle Vorgaben penibel gehalten. Daher sieht, durchaus ungewöhnlich, niemand Bedarf an weiterer Bewährungshilfe oder sonstigen Weisungen. Eine Diversion wird angeregt, Vorsitzende Zwangsleitner schließt diese Maßnahme aber aus generalpräventiven Gründen bereits während der Verhandlung aus.

Lebenstraum Fußball

In seinem Schlusswort gibt der Teenager noch einen kleinen Einblick in sein Innenleben: "Mein größtes Ziel, mein Traum ist es, Fußballer zu werden. Und das werd' ich auch!", ist der junge Mann sich sicher. Das Gericht hindert ihn daran nicht – die vier Monate bedingte Haft, zu denen er verurteilt wird, scheinen in seinem Strafregisterauszug nicht auf. M. und seine anwesenden Eltern sind mit dem Urteil einverstanden, die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 20.9.2021)