Der Oberleutnant (Benedikt Steiner) auf dem Schoß seines Soldaten Schwejk (Jan Nikolaus Cerha). Der General (Lutz Zeidler) hält wenig vom vertraulichen Umgang der beiden.

Foto: Alfred Morina

Dass der Thronfolger erschossen worden ist, kann Schwejk nicht tolerieren. Auch wenn er (Jan Nikolaus Cerha) mit Rheuma wimmernd im Krankenbett liegt. Dass sein Weg an die Front mit einigen Umwegen verbunden ist, lässt sich allerdings gleich erahnen. Denn prompt macht er sich mit seiner Haushälterin zur Causa so einige Gedanken. Etwa was die verwitwete Erzherzogin jetzt machen soll? Den nächsten Erzherzog ehelichen, damit auch der ihr erschossen wird? Er selbst hätte den Ferdinand ja, wenn, mit einer Browning erschossen. Mit so einer? Die Haushälterin holt eine aus dem Kittel. Ja! Oder doch so einer? Sie zieht noch eine.

Slapstick wie dieser wirdvon Matthias Rippert im Linzer Schauspielhaus großgeschrieben. Gegeben wird eine Inszenierung von Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk von Jaroslav Hašek. Mit dem Roman lieferte der tschechische Autor 1921 eine bitterböse, entlarvende Satire auf die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs. Sein Clou ist es, dass Schwejk nie an der Front ankommt. Doch unterwegs dorthin erlebt er die ganze Dysfunktionalität der k. k. Armee, ihre Bürokratie und Verlottertheit. Der vom Autor erhoffte Erfolg stellte sich prompt ein. Das Volk erkannte den Irrsinn, den es soeben selbst erlebt hatte, in der zeitgenössischen Kritik wieder.

Was fängt man heute mit so einer Vorlage an? Der 1988 geborene Rippert kümmert sich vordergründig wenig um moralische Fragen und versucht auch keine Aktualisierung. Er zieht stattdessen die Klamaukschrauben an. Kommt der Doktor zum siechen Schwejk, tänzelt er geschmeidig. Wenn der hörbar tirolerische Feldkurat (Daniel Klausner) zu seinen Schäflein ("es Schweine") predigt, lallt und rülpst er. Zündet ein Passagier im Zug eine Zigarette an, bläst ihm der Schaffner das Feuer aus. Gerne dumm, nie derb!

Otto will einen Hund

So schaukelt sich die entlarvenden Farce in Linz auf zu einer Parade von Skurrilitäten. Oberleutnant Lukasch (Benedikt Steiner) gleicht im rosa Bademantel mit gelbblonden Haaren und Fistelstimme Otto Waalkes. Es gibt einen schwulen Wachtmeister, eine schlagkräftige Ungarin (Cecilia Pérez) knackt dank zugespielter Sounds markerschütternd laut mit den Fingerknöcheln.

Fabian Liszt hat als Kulisse eine Drehbühne gebaut, die das flotte Treiben überhaupt erst ermöglicht. Denn über der Bühne schwebt eine große Videowand für Szenen, die hinter den Kulissen live gefilmt (Georgi Sarkezi) werden und mit dem Bühnenspiel ineinandergreifen. In choreografischer Präzisionsarbeit klaut Schwejk für Lukasch einen Hund, der im Video durch zig Hände geht, um auf der Bühne bei seinem neuen Herrchen zu landen.

Mit solchen Details vermag der ausgefuchste Abend zu begeistern, ebenso mit der darstellerischen Leistung des ganzen Ensembles und dessen Bereitschaft, sich in Dialekte, Posen und kurios schräge Kostüme (Johanna Lakner) zu zwängen.

Buntheit fast ohne Kontrapunkte

Hašek wird sich das kaum so gedacht haben, es geht auf seine Art voll auf – wenn auch um den Preis, dass man angesichts all der Buntheit und des Dekors nach fast drei Stunden Kontrapunkte vermisst. Wie gut etwas Schwere tut, zeigen nämlich die paar Stellen, an denen der Krieg spät doch noch mit seinem Schrecken in den Abend einbricht.

Man darf sich nicht die Nuanciertheit der Vorlage erwarten. Diese Freiheit gönnte das Premierenpublikum der Produktion aber gerne. Applaus und noch mehr Gelächter für ein szenisches Wunderwerk. (Michael Wurmitzer, 21.9.2021)