Kitzloch-Betreiber Zangerl sieht Après-Ski in ein schlechtes Licht gerückt. Eine gesonderte Sperrstunde für die Branche hält er für "Idiotie".

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Wer Ischgl sagt, denkt mittlerweile vor allem an den Superspreader-Moment im März 2020, als durch Behördenversagen das Virus von der Skipiste in die ganze Welt getragen wurde. Das Kitzloch, eine berühmte Après-Ski-Bar im Alpeneldorado, stand lange als Synonym für all das. In dem Lokal tauchte einer der ersten damals bestätigten Corona-Fälle im Tiroler Paznauntal auf. Der 26-jährige Juniorchef, Bernhard Zangerl, wurde über Nacht zum meistgefragten Interviewpartner des Landes. Jetzt, rund eineinhalb Jahre nach dem Corona-Ausbruch im Ort, wird endlich wieder nach vorne geblickt: Zangerl bereitet sich auf die kommende Wintersaison vor. Erst am gestrigen Montag verkündeten Regierungsmitglieder die neuen Regeln für den Wintertourismus. Warum Zangerl die Regeln begrüßt, aber manche der Vorschläge für "Idiotie" hält, und warum seine DJs die "allerprimitivsten Lieder" heuer nicht mehr spielen werden, erklärt er im STANDARD-Interview.

STANDARD: Wird es in der kommenden Wintersaison im Kitzloch Après-Ski geben, wie wir es vor der Corona-Pandemie gewohnt waren?

Zangerl: Wer geimpft ist, der wird einen nahezu normalen Skiurlaub haben können. Natürlich gelten verschärfte Hygienemaßnahmen und die 3G-Regel, aber es wird zu 90 Prozent dasselbe Erlebnis, wie wir es kennen.

STANDARD: In einem Interview haben Sie gesagt, Sie wollen in Zukunft die "Verextremung" des Après-Ski vermeiden. Was heißt das konkret?

Zangerl: Après-Ski ist in den vergangenen zwei Jahren extrem in Verruf geraten, auch die Politik hat es im negativen Sinn verwendet. Das ist unfair, denn es handelt sich dabei um nichts anderes als Nachtgastronomie, die am Nachmittag stattfindet. Natürlich wird ausgelassen gefeiert, aber das ist auf jedem x-beliebigen Fest in Österreich auch so. Wir werden aber trotzdem darauf achten, dass wir die Stimmung etwas bremsen. Etwa wird unser DJ nicht mehr die allerprimitivsten Lieder spielen, auch wenn es meist Wünsche der Gäste sind. Durch die Einlasskontrollen, die es nun ohnehin gibt, werden wir das Lokal nicht mehr ganz so voll machen.

STANDARD: Erst am gestrigen Montag wurden die Regeln für die Wintersaison verkündet. Wie sieht Ihre Buchungslage aus?

Zangerl: Wir begrüßen die Regeln sehr, weil damit können wir planen. Obwohl noch nicht einmal das Programm für das Ski-Opening Ende November steht, sind wir in diesem Zeitraum bereits zu 90 Prozent ausgebucht. Wir sind für die kommende Saison sehr zuversichtlich.

STANDARD: Sind die verkündeten Regeln für die Wintersaison überhaupt umsetzbar?

Zangerl: Ja, die Gäste sind es gewohnt und kommen meist mit Maske zur Rezeption, obwohl sie nicht müssten. Dann wird der Corona-Nachweis kontrolliert, das ist kein Mehraufwand. Im Après-Ski werden wir sicher einiges mehr an Personal brauchen, aber auch das ist machbar.

Neben dem Hotelbetrieb führt die Familie Zangerl das mittlerweile berühmt gewordene Kitzloch, eine Aprés-Ski-Bar in Ischgl.
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STANDARD: Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) kündigte strenge Kontrollen an. Ist das für Touristinnen und Touristen nicht abschreckend, wenn ständig Polizei im Ort patrouilliert?

Zangerl: Die Bereitschaft der Gäste, die Regeln mitzutragen, ist sehr groß. Die meisten sind froh, dass sie überhaupt wieder weg dürfen – und freuen sich aufs Skifahren.

STANDARD: Platter will bei Bedarf auch eigene Sperrstunden, die exzessives Après-Ski eindämmen sollen. Bis zu welchen Maßnahmen macht ein Betrieb Sinn?

Zangerl: Diese Diskussion ist an Idiotie nicht zu übertreffen. Mir ist in Europa kein Land bekannt, wo ein Lokal um 18 Uhr zusperren müsste, um dann zwei Stunden später wieder aufzusperren. Was machen dann die Leute? Die Gründe für derartige Maßnahmen sind nicht nachvollziehbar. Es wirkt, als hätte die Politik ein verzerrtes Bild von der Praxis. Ich glaube, es gibt Wichtigeres für die Politik als eine zweistündige Sperrstunde, und es wird immer Leute geben, die komplett gegen Après-Ski sind.

STANDARD: Sie haben wegen massiver Kritik am Pandemiemanagement in Ischgl gesagt, dass Sie sich damals auf die Einschätzungen der Behörden und ihre mittlerweile berühmt-berüchtigte Empfehlung, wonach eine Ansteckung in einer Bar unwahrscheinlich sei, verlassen haben. Heute wissen wir, dass ihr Lokal zumindest im Nachhinein hätte früher geschlossen werden müssen. Noch immer sind quasi dieselben Personen für derartige Entscheidungen verantwortlich: Vertrauen sie den Behördeneinschätzungen, sollte sich die Corona-Situation weiter zuspitzen?

Zangerl: Weil wir quasi die Ersten waren, die den Corona-Ausbruch im März 2020 hautnah miterleben mussten, sind wir besonders sensibilisiert, das können Sie mir glauben. So etwas wünschen wir uns nicht wieder. Jetzt wissen wir auch mehr über die Krankheit und würden unser Lokal in ähnlicher Lage sperren, auch wenn die Behörden es nicht empfehlen. Natürlich werden wir die Vorgaben der Behörden weiterhin umsetzen. Auch wenn die Behörden eine solche Pandemie auch zum ersten Mal erlebt haben, hätte es viele Dinge gegeben, die man hätte besser machen können. Das hat der Bericht der Ischgl-Kommission gezeigt. (Laurin Lorenz, 21.9.2021)