Es fehlen noch sehr viele Puzzleteile, um eine etwaige Kolonialisierung von Mond oder Mars eines Tages in den Bereich des Möglichen zu rücken. Mittlerweile folgt aber Pioniertat auf Pioniertat. Allein heuer kam es zum ersten motorisierten Flug auf einem fremden Planeten und der Extraktion von Sauerstoff aus der zu 96 Prozent aus Kohlendioxid bestehenden Atmosphäre des Roten Planeten. Höchste Zeit also, sich Gedanken über die künftige Behausung zu machen, falls wir eines Tages doch ein paar Menschen zu Forschungszwecken langfristig raufschicken wollen oder gar zum Verlassen unseres aktuellen Habitats gezwungen werden.

Werden die Häuser auf dem Mars zum Teil aus den Tränen der Astronauten bestehen?
Foto: EPA/NASA/JPL-Caltech/MSSS/HANDOUT

Forschenden aus dem britischen Manchester ist diesbezüglich eine beeindruckende Demonstration mit relativ leichten Materialen geglückt, wie wir "Marbeton" vor Ort produzieren könnten. Denn ein Transport fertiger Bauteile von der Erde käme aufgrund des Gewichts und der hohen Kosten keinesfalls infrage. Die mangelnden Ressourcen, vor allem die fehlenden Bindemittel, sollen dabei durch "Zutaten" aus dem menschlichen Körper gewonnen werden.

Um Regolith, jenes lockere, feinteilige Material, das auf Gesteinsplaneten auf der Oberfläche herumliegt und etwa durch Meteoriteneinschläge aus dem Gestein herausgeschlagen wurde, zu einem betonähnlichen Gemisch zu verdicken, eigne sich beispielsweise menschliches Blut. Genauer gesagt das Humanalbumin im Blut.

Noch stärker dank Pipi

Das in der Leber gebildete Protein, das für gewöhnlich dafür sorgt, dass das Wasser in den Blutgefäßen gebunden wird und nicht in die Zellzwischenräume austritt und auch den Transport einiger hydrophober Stoffe mit dem Blut organisiert, vermag nämlich auch den "Sternenstaub" zu binden. Mit größerem Blutanteil – getestet bis zu einem Verhältnis von 1:10 – wuchs auch die Stärke der Bindung und dadurch die Druckfestigkeit. Aus einem Liter Blut lassen sich so rund 300 Gramm "Marsbeton" machen.

Relativ großzügig gerechnet, könne so laut Studienautoren bei zweimaliger Blutspende pro Woche monatlich ein klassischer Ziegel hergestellt werden. Wenn das Blut nur als "Mörtel" fungiert, um Gebäude aus Marsgestein zu erbauen, reiche der Lebenszyklus eines Astronauten gar aus, um ein komplettes Haus für nachfolgende Astronauten aufzubauen.

Die Stärke des dadurch entstehenden Materials sei vergleichbar mit einem Betongemisch auf der Erde, so die Forschenden. Noch besser: Gibt man Harnstoff, der entweder aus menschlichem Urin, Schweiß oder den Tränen von Astronauten gewonnen werden kann, hinzu, erhöht sich die Belastbarkeit des "Marsbetons" um weitere 300 Prozent und übertrumpfe manch irdische Mischungen.

Aus dem Drucker

Der guten Nachrichten nicht genug, gaben die Forschenden bekannt, dass sie demonstrieren konnten, dass sich das Material per 3D-Druckverfahren auftragen ließe, um den Astronauten den anstrengenden Maurerjob abzunehmen. Auch Rinderalbumin sowie synthetische Spinnenseide konnten in Tests übrigens gut abschneiden und böten Alternativen zu den menschlichen Ausscheidungsziegeln. Weil sich der Rindertransport aber als schwierig gestalten dürfte, müsste das Rinderalbumin synthetisch in Reaktoren hergestellt werden. Nicht zuletzt, weil auch nicht alle Langzeitfolgen des Blutspendens am Mars klar abschätzbar seien, fordern die Studienautoren andere dazu auf, auch mit pflanzlichen Proteinen weiterzuforschen.

Auch wenn es freilich vorher essenziellere Fragen zu lösen gäbe als die Behausung, werden die verschiedenen Puzzleteile zur Marskolonialisierung nicht zwingend in einer logischen Reihenfolge entdeckt werden. Aber auch Puzzles folgen schließlich keiner bestimmten Abfolge, bis sie irgendwann vollendet werden. (faso, 22.9.2021)