Die Bürgerinnen und Bürger als "Teilnehmer eines riesigen Gentechnik-Experiments" der Pharmalobby oder die Klimaschutzpolitik als "kommunistischer Systemwandel durch die Hintertür": Wie alle Rechtspopulisten versteht sich die FPÖ auf Polarisierung und Verschwörungstheorien als politisches Geschäftsmodell. Im Kern der Argumentation steht dabei immer der Vorwurf, die Eliten hätten sich gegen das Volk verschworen. Die Eliten: Das ist einmal die "Hochfinanz", dann wieder "Brüssel".

Nicht erst seit der Corona-Krise gerät auch immer wieder die Wissenschaft ins Visier der Rechtspopulisten. Zentraler Gegensatz in diesem sogenannten "wissenschaftsbezogenen Populismus" ist der zwischen dem gesunden Haus- und Menschenverstand des Volkes und der Empirie der Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Die Wissenschaft steht damit im Verdacht, Teil der Verschwörung der Eliten gegen das Volk zu sein und es mit Studien und Evidenz hinters Licht zu führen. In der Logik der Populisten steckt etwa hinter Maßnahmen gegen den Klimawandel nicht das Verhindern zukünftiger Umweltkatastrophen, sondern "linke Gesellschaftsutopien unter dem Deckmantel des globalen Klimaschutzes".

Mit Patriotismus und Heimatliebe gegen Zahlen, Daten, Fakten

Seit ihrer Gründung 1955 stehen im Zentrum der FPÖ-Agenda nationalkonservative Begriffe wie Patriotismus und Heimatliebe, die auch die Umweltpolitik der Partei prägen. Spätestens seit der Übernahme der Partei durch Jörg Haider 1986 und dem Einzug der Grünen in den Nationalrat haben die Freiheitlichen die Themen Umwelt und Klima für sich entdeckt. Dabei vermischen Vertreterinnen und Vertreter der Partei immer wieder auf unbehagliche Art rechtsextreme Versatzstücke, Populismus und Verschwörungstheorien.

So schürte der nunmehrige FPÖ-Chef Herbert Kickl im September 2017 die Angst vor einer neuen Flüchtlingswelle, sollte der Klimawandel als Asylgrund anerkannt werden. Aber bereits 1994 warnte Andreas Mölzer, Chefideologe der Freiheitlichen, in einer Publikation der von ihm geleiteten Freiheitlichen Parteiakademie, dass die Grünen einen "stalinistischen Systemwandel in einem grünen Mäntelchen" betreiben würden. Im Gegensatz dazu liegt für Mölzer die Umweltpolitik der FPÖ im Nationalismus begründet, und damit sei die Partei die "wahre Umweltpartei", da sie keine verborgene Agenda verfolgt. Bis heute scheint in der FPÖ die Angst vor einer grün-kommunistischen Diktatur umzugehen, wie die Presseaussendung von Michael Schnedlitz zeigt: Der freiheitliche Generalsekretär wirft darin Umweltministerin Leonore Gewessler vor, mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un "ideologisch und realpolitisch an einem Strang zu ziehen".

Auch in der parlamentarischen Arbeit setzt die FPÖ seit langem auf die Vernetzung mit der Klimaleugner-Szene und die Verbreitung von Desinformationen: So lud FPÖ-Nationalratspräsident Wilhelm Brauneder 1997 zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel "Globale Erwärmung – Globaler Irrtum?". Auf der Bühne saßen neben den Umweltsprecherinnen und -sprechern aller Parteien zwei Gründerväter der Klimaleugner-Szene: der Pflanzenphysiologe Helmut Metzner und der Atmosphärenphysiker Fred Singer, der mehrmals auf Einladung der FPÖ in Österreich zu Gast war. Die von Andreas Mölzer herausgegebene Wochenzeitung "Zur Zeit" kam damals zu dem Schluss, dass hinter den Warnungen und der Panikmache "fromme Legenden und beinharte Interessen" einer Allianz zwischen Greenpeace und der EU stehen müssten, damit die Spenden besser fließen und neue (Öko-)Steuern eingeführt werden könnten.

Umwelt- und Klimathemen werden in der FPÖ mit Verschwörungstheorien und rechtem Populismus vermischt. Die FPÖ-Spitze, hier beim Wahlkampfauftakt in Oberösterreich.
Foto: APA/Herbert Neubauer

Langfristige Konsequenzen für das Vertrauen in die Wissenschaft

Die FPÖ schlägt also seit mehr als 20 Jahren Brücken in die Klimaleugner-Szene und gibt ihren Verschwörungstheorien in Österreich eine Bühne. Hinter der Umweltpolitik der anderen Parteien werden Postenschacher, Lobbyisten, ideologische und wirtschaftliche Interessen oder auch die gezielte Steuerung von Migrationsströmen vermutet. Damit haben die Freiheitlichen in Österreich einem Grundpotenzial wissenschaftsskeptischer Einstellungen in der Bevölkerung den Boden bereitet. So haben Forschende vom Austrian Corona Panel Project an der Universität Wien herausgefunden, dass besonders die FPÖ-Wählerschaft die Ansicht vertritt, dass eigene Erfahrungen zuverlässiger seien als wissenschaftliche Expertise. Solche Einstellungen führen auch dazu, dass das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung langfristig untergraben wird. Die FPÖ stellt also Emotionen und den Hausverstand über Fakten und Daten. (Constanze Jeitler, 23.9.2021)