Nun ist Claudia Schiffer also auch Kuratorin. Im Düsseldorfer Kunstpalast lässt das deutsche Supermodel die Modefotografie der 1990er-Jahre aufleben. Es ist eine poppige, so unbeschwerte wie erwartbare Bilderschau geworden, die Schiffer unter dem Titel Captivate! zusammengestellt hat: Ein Song von Salt ’n’ Pepa schallt durch die Ausstellung, Cindy Crawford, Linda Evangelista, Naomi Campbell und Claudia Schiffer hängen im Großformat an den Wänden, ein Raum ist mit unzähligen Magazintiteln, ein anderer mit Sedcards aus dem privaten Archiv des Models befüllt. Rund 150 Stücke, darunter Fotografien von Herb Ritts, Richard Avedon, Helmut Newton, Ellen von Unwerth, den Bildermachern der Neunziger, umfasst die Schau, mit der Museumschef Felix Krämer ein breites Publikum ansprechen will. Im vergangenen Jahr gelang ihm das, er mobilisierte mit der Ausstellung des Modefotografen Peter Lindbergh rund 100.000 Besucher.

Mit der Düsseldorferin Claudia Schiffer, die mit Ehemann Matthew Vaughn und drei Kindern in der Grafschaft Suffolk nordöstlich von London lebt und die Ausstellung aus der Ferne kuratiert hat, soll nun abermals Glamour in den Kunstpalast einziehen. Diese Entscheidung lag nahe. Im Düsseldorfer Club Checker’s auf der Königsallee, fünf Autominuten vom Museum entfernt, wurde Schiffer Ende der Achtziger entdeckt.

Ein vermeintlich hedonistisches Jahrzehnt wird eingehend besichtigt: Claudia Schiffer, Anwaltstochter und Supermodel in Ruhe, bei der Auswertung der fotografischen Ausbeute.
Foto: Lucie McCullin

Große Namen

Für die Schau hat die Deutsche ihre Kontakte spielen lassen: Mit Bruce Weber und Co sind große Namen in die Räumlichkeiten nahe dem Rhein eingezogen. Viele Motive kennt man, so auch das Gruppenporträt, mit dem die Ausstellung beworben wird: In Richard Avedons legendärer Versace-Kampagne posieren die Models Nadja Auermann, Christy Turlington, Claudia Schiffer, Cindy Crawford und Stephanie Seymour in schimmernden Miniröcken. Die Bilder sollen Lust machen auf ein Jahrzehnt, das Schiffer selbst in bester Erinnerung hat. Aus der 17-jährigen Gymnasiastin wurde in den Neunzigern eines der bestbezahlten Models der Welt.

Doug Ordway hat die Models Emma Sjöberg, Nadja Auermann, Naomi Campbell, Kate Moss, Ève Salvail, Shalom Harlow, Carla Bruni, Olga Pantushenkova, Christy Turlington, Linda Evangelista, Claudia Schiffer, Yasmeen Ghauri, Amber Valletta, Tricia Helfer und Helena Christensen backstage bei Versace fotografiert, Herbst 1994
Foto: Doug Ordway

In der Ausstellung wird also auch die rasante Karriere der gebürtigen Rheinbergerin nacherzählt: Während Claudia Schiffer sich in ersten Testshootings Ende der Achtzigerjahre noch hinter gekreppten Haarsträhnen versteckte, erlebte sie kurze Zeit später mit Ellen von Unwerths Kampagnenbildern für die Jeansmarke Guess den Durchbruch. Dann ging alles sehr schnell: Mit 18 stand die Deutsche bei Chanel zum ersten Mal auf dem Laufsteg, Karl Lagerfeld sei Dank. Oder um es mit Schiffers Worten zu sagen: "Karl Lagerfeld, Kreativdirektor von Chanel, war der Zauberer, der mich von einem schüchternen deutschen Mädchen in ein Supermodel verwandelte."

Bruce Weber, Seventh on Sale, Models: Claudia Schiffer, Cindy Crawford, New York 1992 für Revlon
Foto: Bruce Weber

Es hätte aber auch kaum einen besseren Zeitpunkt für den Start dieser Bilderbuchkarriere geben können. Es war die Hochzeit der Modemagazine, das Jahrzehnt der verschwenderischen Shootings und der Starfotografen. Die "Big Five" wurden in kürzester Zeit erfolgreiche Businessfrauen, sie streiften gigantische Gagen ein. Die Anwaltstochter Claudia Schiffer stand immer für saubere Sexyness und distanzierte Professionalität. Skandale und Schlagzeilen überließ sie anderen. Model-Shows im TV und wechselnde Ehemänner: Fehlanzeige.

Smarter Schachzug

Das Debüt als Kuratorin? Ein smarter Schachzug der kunstsammelnden 51-Jährigen. Die Rheinländerin ist in der Schau omnipräsent: Aus dem Audio-Guide erklingt ihre Stimme, die Ausstellungstexte sind mit persönlichen Anekdoten gespickt. Verlängert wird die Ausstellung zeitgemäß im Netz, Schiffer ist im Jahr 2021 auch stilsichere Influencerin: Auf ihrem Instagram-Account (1,6 Millionen Follower) zeigt sie täglich Fotos aus der Schau.

Die Stärke der Ausstellung, die Verbindung mit den Protagonisten der Modefotografie der Neunzigerjahre, entpuppt sich allerdings auch als ihre Schwäche. Schiffers gut gelaunte Erzählung mag persönliche Einblicke gewähren, sie weist aber auch blinde Flecken auf. Zuletzt wurde viel über die mangelnde Diversität der Modeindustrie diskutiert. Warum waren und sind die meisten erfolgreichen Models und Fotografen eigentlich weiß? Diese Frage stellt sich nach dem Besuch erst recht.

Nur vier Frauen befinden sich unter den über zwanzig daran teilnehmenden Fotografen – was sagt das über die Modefotografie der Neunziger aus? Und wie war es um den Einfluss der modelnden Businessfrauen bestellt, wenn heute gegen Gérald Marie, einst Europachef der Modelagentur Élite, bei der Schiffer ihre Karriere begonnen hatte, wegen Missbrauchs ermittelt wird? Es ist längst nicht alles gesagt. (Anne Feldkamp, 22.9.2021)