Rund 800 Mitarbeiter beschäftigt die Statistik Austria, seit 2000 eine eigenständige Bundesagentur.

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Von den häufigsten Todesursachen bis zu den größten Preistreibern: Die Aufgabe der Experten bei der Statistik Austria ist es, Österreich wieder und wieder neu zu vermessen. Ohne Daten über die Bevölkerung, deren Gesundheitszustand oder die wirtschaftliche und soziale Entwicklung lassen sich schließlich keine politisch fundierten Entscheidungen treffen.

Umso bemerkenswerter ist es, dass die Statistik in Finanzierungsschwierigkeiten steckt und die internen Warnungen deshalb lauter werden. Diese Woche haben die Statistiker ihren Bericht für das Geschäftsjahr 2020 veröffentlicht. Dabei fuhr die Bundesagentur erneut Verluste ein. Die Zahlen muten zwar auf den ersten Blick wenig dramatisch an. Der Verlust nach Steuern belief sich auf 154.000 Euro. Doch die Bundesagentur schreibt damit das dritte Jahr in Folge Verluste, und auch heuer dürfte dies der Fall sein. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 600.000 Euro minus.

Das Problem ist, dass die Lücke im Budget von Jahr zu Jahr größer wird. Im vergangenen Jahr hat die Pandemie noch Schlimmeres verhindert. So sind die Ausgaben der Statistik für Geschäftsreisen stark eingebrochen. Doch das dürfte ein einmaliger Zufall gewesen sein.

Die Puffer schwinden

Die Statistik Austria wurde im Jänner 2000 aus der Bundesverwaltung ausgegliedert. Damals wurde festgesetzt, dass die Bundesagentur ein jährliches Budget von 50,4 Millionen Euro erhält. Das hat sich bis 2018 nicht verändert. Dann kürzte die türkis-blaue Regierung der Statistik sogar die laufend zur Verfügung gestellten Mittel um eine Million Euro.

Diese Entscheidung wurde bis heute nicht korrigiert. Zuständig für die Bundesagentur ist politisch das Bundeskanzleramt unter Sebastian Kurz (ÖVP). Der Clou beim Budget: Die Personalkosten der Statistik steigen durch laufende Gehaltserhöhungen und Gehaltssprünge. Zugleich sorgte die Inflation parallel dazu dafür, dass die real zur Verfügung stehenden Mittel seit 20 Jahren weniger werden. In den ersten Jahren nach der Ausgliederung hat sich die Statistik durch Effizienzsteigerungen und Personalabbau einen Sicherheitspuffer geschaffen. Auf etwas mehr als sieben Millionen Euro belaufen sich diese freien Rücklagen aktuell noch.

Zahlungsschwierigkeiten

Doch im Geschäftsbericht heißt es, dass aufgrund drohender weiterer Verluste die Puffer bald aufgebraucht sein werden. Sollte das Budget nicht steigen, wäre damit eine "negative wirtschaftliche Entwicklung" der Bundesanstalt verbunden. Die Rede ist kurzfristig von einem Finanzierungsrisiko. Sprich die Statistik würde in Zahlungsschwierigkeiten geraten. 2023 soll es so weit sein.

Sind diese Probleme im Bundeskanzleramt nicht bekannt? Doch. Auch dazu gibt der Geschäftsbericht Auskunft. Zitiert wird ein interner Revisionsbericht aus dem Kanzleramt. In diesem heißt es: "Angesichts der Kosten- und Leistungsrealitäten ... erscheint das Finanzierungsmodell (der Statistik, Anm.) nicht mehr ausreichend geeignet, um die Nachhaltigkeit der Finanzierung unter Beachtung der gesetzlichen Gebote sicherzustellen."

Warum gibt es keine Budgeterhöhung? Notwendig wäre dafür eine gesetzliche Änderung. Eine kolportierte Überlegung dazu lautet, dass das Kanzleramt zuwartet und dann per Garantie zusagt, die Verluste der Statistik künftig abzudecken. Die Frage wäre freilich, was dies für die gesetzlich verankerte Unabhängigkeit der Agentur bedeuten würde, wenn sie mit ihren eigenen Finanzmitteln nicht mehr das Auslangen finden würde?

Die Statistik Austria war bereits öfter im medialen Fokus. Zuletzt im Frühjahr 2020, als publik wurde, dass die Statistik Pressemeldungen vorab ans Kanzleramt schickt. Damals entbrannte eine öffentliche Debatte darüber, welchen Einfluss das türkise Kanzleramt auf die Statistik nehmen dürfe. Diese Praxis mit den Pressemeldungen wurde inzwischen eingestellt.

"Keine Alternative"

Ob eine Budgeterhöhung für 2022 geplant ist, wird im Kanzleramt nicht kommentiert. Die Budgetverhandlungen laufen noch. Für eine Erhöhung wäre eine gesetzliche Regelung notwendig.

Die Betriebsratschefin in der Statistik, Judith Falkinger, schlägt bereits Alarm. Schon jetzt fehle das Geld im Haus für langfristige und notwendige Investitionen, etwa in neue technische Ausrüstung oder eine bürgerfreundlichere Website. Falkinger weiter: "Eine Verlustabdeckung durch den Bund ist keine Alternative zu einer dauerhaften Erhöhung der Bundesmittel. Wenn die Statistik in die Rolle eines Bittstellers gedrängt wird, gefährdet das die Unabhängigkeit." (András Szigetvari, 22.9.2021)