Erpresserische Zustände. Übermacht weniger Konzerne. Bauern im Würgegriff der Supermärkte. Die Landwirtschaftspolitik teilte jüngst akkordiert gegen den Lebensmittelhandel aus. Der Rundumschlag der ÖVP ist mit Blick auf die nahenden Wahlen in Oberösterreich kein Zufall und im Kern richtig. Spar, Rewe, Hofer und Lidl halten zusammen 90 Prozent des Marktes. Dass kleine Lieferanten angesichts dieser Dominanz wenig zu lachen haben, liegt auf der Hand.

Bauern brauchen nicht nur faire Handelsbeziehungen, sondern auch das Vertrauen der Konsumenten.
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Unfreiwillige Rabatte, einseitige Pönalen, Rücknahme frischer Ware, die übers Wochenende zu Biomüll wird: Das ist seit Jahrzehnten gelebte Praxis. Über allem schwebt die Angst vor der Auslistung aus den Regalen. VP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger trifft mit ihrer Kritik wunde Punkte. Die Absicht dahinter bleibt dennoch durchschaubar. Vor allem aber lenkt sie von eigenen Versäumnissen ab.

Die Lebensmittelriesen auf eine gesunde Größe zurückzustutzen, dieser Zug ist abgefahren. Österreich hat hier wettbewerbsrechtlich versagt. Dennoch gibt es viele weitere Schrauben, die zu drehen die Regierung in der Hand hätte, um die Verhandlungsposition der Lieferanten und Landwirte zu stärken. Stattdessen aber setzt sie sich mit dem Handel bereitwillig in ein Boot und lässt ihn bei Schlüsselthemen nahezu freie Hand. Ob bei der Frage der Gütesiegel, bei Debatten um Tierwohl oder bei Restriktionen für Non Food in Zeiten der Lockdowns – Interessen der Supermarktketten haben Vorrang.

Nachzügler Österreich

Österreich bringt seit Jahren keine vernünftige Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel auf den Boden. Die Forderung der Grünen, dabei auch die Gastronomen in die Pflicht zu nehmen, treibt einen Keil durch die ÖVP, die Diener zweier Herren ist. Dabei würde mehr Transparenz entlang der Wertschöpfungskette Bauern finanziell den Rücken stärken.

Und warum nicht die Bewerbung für Billigfleisch zügeln, wie es in Deutschland diskutiert wird? Nachzügler ist Österreich in der EU auch, was schärfere Maßnahmen gegen unlautere Handelspraktiken betrifft. Solange die Regierung hier nicht rascher Schranken setzt, bleiben wortreiche Ausritte gegen Lebensmittelriesen bloßes Schattenboxen.

Dieses überdeckt auch Missstände in den Reihen der eigenen Klientel. Eine aktuelle Studie deckt auf, dass Pestizide der Landwirtschaft bis in die Häuser der Anrainer abdriften. Zwölf Pflanzenschutzmittel wurden in einem Haushalt einer steirischen Apfelgemeinde identifiziert. Das wirft berechtigte Fragen auf. Sind die Kontrollen der Bauern ausreichend? Ist die bisherige Risikobewertung noch zeitgemäß?

Doch statt Nabelschau zu betreiben und Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen, wird beschwichtigt und vertröstet. Zu groß ist die Lobby der Landwirtschaft, als dass sie bei Reizthemen wie diesen auch Umwelt- und Gesundheitsexperten Deutungshoheit zugestehen würde. Früher oder später ist das ein Schuss ins Knie: Bauern brauchen nicht nur faire Handelsbeziehungen, sondern auch das Vertrauen der Konsumenten. (Verena Kainrath, 22.9.2021)