Eine Falcon-9-Rakete brachte den Forschungssatelliten ins All. Der rege Datenverkehr erhöht den Druck, neue Frequenzen nutzbar zu machen.

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Im Orbit der Erde ist viel los. Die Zahl der Satelliten, die Internet-, TV- und andere Signale senden, steigt stark an. Wie bei der erdgebundenen Kommunikation müssen aber auch bei diesem Datenverkehr viele Anwendungen mit einer überschaubaren Zahl an nutzbaren Frequenzen zurechtkommen.

Eine Verbesserung der Lage könnte das sogenannte W-Band bringen. Die Frequenzen jenseits der 75 Gigahertz, die bisher nur etwa bei bestimmten Radartypen eingesetzt wurden, sollen für den Datenverkehr zwischen Erde und Orbit aufbereitet werden. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn die Übertragungsqualität auf den kurzen Wellenlängen von etwa vier Millimetern wird auf dem Weg durch die Atmosphäre stark durch das Wetter beeinflusst.

"Regen kann das Signal im W-Band um das Zehntausend- bis Hunderttausendfache dämpfen", skizziert Michael Schmidt vom Institut für Informations- und Kommunikationstechnologie der Grazer Forschungsgesellschaft Joanneum Research eines der Probleme. "Um eine fehlerfreie Übertragung zu ermöglichen, braucht es deshalb entsprechende Reserven und Gegenmaßnahmen bei der Signalverarbeitung."

Vermessung der Signale

Schmidt muss es wissen. Denn er konnte mit seinem Grazer Team vor wenigen Wochen erstmals ein W-Band-Signal aus dem All erfolgreich empfangen. "Wir sind stolz, dass wir trotz Verzögerungen durch Corona die Ersten waren, denen das gelang", betont der Forscher. Gesendet wurde das Signal von einem Cube-Sat, einem Minisatelliten, der mit einem W-Band-Modul ausgestattet ist.

Schmidt hat als Leiter eines Projekts der europäischen Raumfahrtbehörde Esa den Bau des Cube-Sats koordiniert und kümmert sich nun um die Vermessung der Signale. Die ESA-Forschungen werden vom Klimaschutz- und Innovationsministerium via die Förderagentur FFG unterstützt. Weitere Gelder kommen aus Finnland, Deutschland und Portugal, wo weitere Konsortialpartner beheimatet sind.

Der in Finnland gebaute Cube-Sat wurde Ende Juni per Rakete des Raumfahrtunternehmens Space X ins All befördert. Bei fünf bis sechs Überflügen pro Tag können seine Signale von Graz aus mittels einer genau auf die Flugbahn abgestimmten Antenne gemessen werden, erklärt Schmidt. "Wir erarbeiten uns mit den Daten das Grundlagenwissen für den W-Band-Einsatz für die Strecke vom Satelliten zum Boden und umgekehrt. Die bestehenden Modelle zur Wellenausbreitung müssen verifiziert und präzisiert werden."

Enorme Dämpfung durch Regen

Um auch bei Regen eine fehlerfreie Übertragung sicherzustellen, muss die Technologie auf Veränderungen des Signals reagieren können. Nicht nur die im Vergleich zu niedrigeren Frequenzen enorme Dämpfung bis zu einem Faktor von 100.000 muss dabei berücksichtigt werden, sondern auch die Geschwindigkeit der Veränderung, erläutert Schmidt. "Ist die Signalstärke innerhalb von Sekunden nur noch halb so groß, muss die Technologie entsprechend schnell nachregeln."

Die Dämpfung entsteht, weil die elektromagnetische Strahlung – ähnlich dem Funktionsprinzip einer Mikrowelle – Moleküle in Bewegung versetzt und Energie abgibt. Dazu kommt eine sogenannte Depolarisierung des Signals, die von Form und Verteilung der Regentropfen abhängig ist, sagt Schmidt. "Bildhaft gesprochen, wird das Signal ein wenig ‚verdreht‘, was zu einer zusätzlichen Dämpfung führt."

Um dieses Phänomen in die Kalkulationen aufzunehmen, vermessen die Grazer Forscher die Regentropfen mit einem eigenen, vor Ort entwickelten Messgerät. Das hilft auch, um die Signalverarbeitung auf unterschiedliche Regenarten in verschiedenen Klimazonen einzustellen. "Die Daten ermöglichen eine optimale Dimensionierung von Antennen und Verstärkern auf Satelliten und Bodenstationen sowie bei der Wahl der Modulationsrate – also der Frage, wie viel Energie in ein zu sendendes Datenbit reingesteckt werden soll", resümiert der Forscher.

Signal-Berechnungen

Die Messkampagne muss mit dem Umstand fertig werden, dass – alle Überflüge zusammengenommen – kaum eine Stunde Kontaktzeit mit dem Cube-Sat pro Tag vorhanden ist. Die Forschenden behelfen sich mit einem rund um die Uhr verfügbaren zweiten Signal eines geostationären Satelliten im niedrigeren Q/V-Band. Auch der neue Cube-Sat strahlt neben dem W-Band- auch ein Q/V-Band-Signal ab. Dieses wird mit dem ständig verfügbaren Pendant abgeglichen und in das W-Band "hinaufgerechnet", wie Schmidt erklärt.

Wenn der neue Frequenzbereich in einigen Jahren reif für den Praxiseinsatz ist, werden die bisherigen Haushaltssatellitenschüsseln dennoch nicht obsolet. "Mit den Nutzern wird weiterhin in den niedrigeren Ka-Band-Frequenzen von 20 und 30 Gigahertz kommuniziert", sagt Schmidt. "Die Basisstationen, die den Internet-Traffic zum Satelliten managen oder das Fernsehprogramm hinaufschicken, könnten dagegen auf das W-Band umstellen." (Alois Pumhösel, 22.9.2021)