Bild nicht mehr verfügbar.

Kevin (Eric Petersen) findet sich lustig, Allison (Annie Murphy) kann längst nicht mehr lachen.

Foto: AP/Jojo Whilden

Sie sind Männer in der Mitte ihres Lebens – und führen sich wie orientierungslose 16-Jährige auf. Ihre Kumpels hängen ständig bei ihnen rum, vor der Glotze sitzen ist das Größte, und sie vollführen Kunststücke, um alles, was abseits ihrer Jobs zu tun ist, nicht tun zu müssen. Sei es, ihre Kinder aufzuziehen, sich um die alten Eltern zu kümmern, sei es Kochen oder Wäschewaschen. Einfallsreich werden sie, wenn sie Wege finden müssen, dass das alles weiterhin von ihren Frauen erledigt wird. Was für ein Spaß. Zumindest in vielen Sitcoms der 1990er- und 2000er-Jahre.

Die neue Serie "Kevin Can F**k Himself" bezieht sich auf diese Serien à la "Jim hat immer recht" (2001–2009), "Alle lieben Raymond" (1996–2005), "King of Queens" (1998–2007) und – ganz klassisch – "The Honeymooners" (1955–1956). Auch in "Kevin Can F**k Himself" wird Ehefrau Allison verarscht, die Lachkonserven ertönen dann ebenso wie bei jeder hirnrissigen Idee des Göttergatten Kevin. Es gibt einen ständig anwesenden Kumpel, ein kleines Eigenheim in einem Arbeiter*innenviertel und wenig glamouröse Jobs. Und es gibt noch etwas in der Serie von Valerie Armstrong: eine Parallelwelt. So wechseln die Sitcom-Szenen mit brüllendem Gelächter aus dem Off und einem grell ausgeleuchteten Set mit einer anderen Darstellung des Lebens von Allision. Dann ist alles in deutlich dunklere Farben getaucht, es wird nicht mehr gelacht, die Stimmung ist düster. Denn jetzt dominiert Allisons Perspektive, und aus dieser gibt es nicht viel zu lachen.

Movie Coverage

Seit kurzem sind die von AMC produzierten acht Episoden der ersten Staffel auf Amazon Prime verfügbar, eine zweite Staffel ist geplant. Die Episoden dauern nicht wie Sitcoms um die 25 Minuten, sondern etwa doppelt so lang. Immerhin gilt es auch die Geschichte hinter den Lachern zu erzählen. Und die handelt nicht nur von beengenden Ehen und stereotypen Rollenbildern, sondern auch von Klassenverhältnissen, der Opioidkrise in den USA und Solidarität.

Als Allison erfährt, dass ihr Mann gemeinsame Ersparnisse beim Fenster hinausgeschmissen hat, ist ihre Hoffnung auf ein besseres Leben endgültig dahin. Sie krempelt die Ärmel hoch und beschließt, etwas zu tun – und entdeckt dabei, dass sich auch andere nicht immer legal durchschlagen.

Auch ihre Nachbarin Patty, die Allisons Ausbruchsversuche erst belächelt. Was sie denn groß wolle, fragt sie sie mitleidig. Selbst schuld sei sie, jahrelang habe sie mitgemacht, geh doch einfach, wenn es dir nicht passt, schmettert sie Allison entgegen, die sich zumindest so etwas Ähnliches wie Frauensolidarität erwartete.

Holzhammer für Sexismus

Doch Allison lässt sich von ihrem Plan, Kevin loszuwerden, nicht abbringen. Immerhin wollte sie mal mehr, als mit einem Niedriglohnjob im Schnapsladen gerade so durchzukommen, und tagtägliche Erniedrigung durch ihren eigenen Partner. Und jetzt will sie Rache.

"Kevin Can F**ck Himself" hält berühmten Serienhits und ihren Witzeleien über Sexismus und unbezahlte Arbeit als selbstverständliche Frauenarbeit einen Spiegel vor. Sehr subtil geht die Serie dabei nicht vor, aber genau das macht sie sympathisch. Denn den Stil, mit dem man sich im Fall von Kritik auf ein "Alles nur ironisch gemeint" zurückzieht, nutzen genau jene Serienmacher*innen, auf die nun "Kevin Can F**ck Himself" mit dem Holzhammer hinhaut. Mit den Themen soziale Klasse und Armut geht die Serie hingegen empathisch und sorgsam um – ganz ohne zwischendurch auf Workingclass-Romantik zu setzen. (Beate Hausbichler, 23.9.2019)