Australien greift in Zukunft bei seinen U-Booten auf US-amerikanische und britische Technologie zurück.

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Der Streit zwischen Frankreich und Australien wegen der Stornierung des Ankaufs einer mittleren U-Boot-Flotte hat sich am Dienstag deutlich verschärft und auf die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den USA ausgeweitet. Die EU-Kommission bestätigte, dass ein für Ende September geplantes Treffen über künftige Handels- und Technologiegespräche zwischen der EU und den USA in Pittsburgh abgesagt wird. Die Vorbereitungen dazu werden unterbrochen.

Auch wenn dieser Akt kaum praktische Folgen hat, weil ein neues EU-USA-Handelsabkommen nach dem Scheitern von TTIP im Jahr 2016 in den Sternen steht, kommt dem doch große symbolische Bedeutung zu. Zuvor wurden in Brüssel auch für Oktober geplante Handelsgespräche mit Australien abgesagt. Bis dahin hatte der Streit vor allem die Nato und die globale Sicherheitspolitik betroffen.

Auf diesem Gebiet hat die Kommission gemäß den EU-Verträgen wenig zu reden. Aber beim Außenhandel hat sie volle Kompetenz. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat das überraschende Platzen des U-Boot-Deals als "inakzeptabel" bezeichnet, genauso wie den Umstand, dass das Land mit den USA und Großbritannien vergangene Woche ohne Information der Partner in Nato und EU eine neue strategische indopazifische Allianz schloss. Das Aussetzen der Handelsgespräche soll ein Signal sein, dass die EU sich voll hinter Frankreich stellt, dem durch das Platzen des U-Boot-Vertrags Einnahmen von 35 Milliarden Euro entgehen. Frankreichs Präsident zieht deswegen bereits seit Tagen alle diplomatischen Register, sprach sogar davon, dass der neue indopazifische Pakt die Nato infrage stelle. Paris hält sich "alle Optionen offen".

Lage sehr ernst

Beim Treffen der Europaminister in Brüssel am Dienstag sagte Clément Beaune, die Sache sei "sehr ernst" und man werde nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Er erhielt breite verbale Unterstützung von den EU-Partnern, die aber uneinig sind, ob der Fall geeignet ist, jetzt eine neue Distanzierung von den USA zu riskieren. Vor allem die baltischen Staaten und Polen, traditionell starke Transatlantiker, wollen keine neue Nato-Krise, die durch Frankreich herbeigeführt wird.

Der deutsche Europaminister Michael Roth sagte in Brüssel, es gelte, "verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen", alle müssten an einen Tisch. Berlin versteht sich als Vermittler. Mit dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden hatte man auf eine neue Welle der Partnerschaft mit Washington gehofft. Jetzt ist die Enttäuschung groß.

Biden versucht zu beruhigen

Das Krisenmanagement hat sich unterdessen nach New York verlagert, wo am Dienstag die Vollversammlung der Vereinten Nationen begann. Die EU-Außenminister wollen den Anlass zu einer Sondersitzung nützen, um über das weitere Vorgehen im U-Boot-Streit und in der Sicherheitspartnerschaft generell zu beraten. Es soll gezeigt werden, dass die EU-Länder zusammenstehen und es sich nicht um ein französisches Problem handelt. Biden versuchte in seiner Rede vor der Vollversammlung zu kalmieren und wiederholte sein Bekenntnis zum Multilateralismus. Multilaterale Institutionen wolle er auch im indopazifischen Raum nutzen, betonte er. Die USA hätten kein Interesse an einem "neuen kalten Krieg".

An den Fakten dürfte das kaum etwas ändern. Australien hat mit den USA und Großbritannien fix vereinbart, neue, nukleargetriebene U-Boote zu bauen, im Gegensatz zu den 2016 bestellten konventionellen Booten des französischen Herstellers Naval. Eine Lösung im Streit könnten Kompensationsgeschäfte sein oder Abschlagszahlungen an Paris. Ob es bereits in New York zu einem direkten Gespräch Macrons mit dem australischen Premier Scott Morrison kommen wird, war offen. (Thomas Mayer, 21.9.2021)