Das Immobilienimperium Evergrande von Xu Jiayin wankt.

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Es war 2011. Xu Jiayin, der Gründer des zweitgrößten Immobilienkonzerns Chinas, spazierte mit Geschäftspartnern an der Côte d’Azur entlang. Dabei stach ihm eine Yacht eines reichen Hongkonger Geschäftsmanns ins Auge. Xu schwebte schon länger ein Privatklub auf hoher See vor – sicher vor den Augen der Korruptionsjäger und Paparazzi.

Hundert Millionen US-Dollar kostete das Schiff, das im Hafen lag. Allerdings, wandte sein Geschäftspartner ein, würde man für diesen Preis doch mehr Eleganz erwarten. "Ist das alles, was du für hundert Millionen Dollar bekommst?", fragte er den Evergrande-Chef. Xu kaufte das Boot nicht.

Sohn eines Soldaten

Diese Episode über Evergrande-Gründer Xu Jiayin – oder Hui Ka Yuan auf Kantonesisch – schildert Desmond Shum in seiner eben erschienenen Autobiografie Red Roulette. Darin schildert er die ausufernde Korruption chinesischer Eliten, die über Beziehungen zu Parteifunktionären zu Milliardären werden.

Xu war Teil dieses Systems. Geboren 1958 in der Provinz Henan als Sohn eines Soldaten, erlebt er wie alle seiner Generation die Kulturrevolution, eine der dunkelsten Perioden der jüngeren chinesischen Geschichte. Als sich die Situation nach Maos Tod 1976 entspannt, beginnt Xu eine Ausbildung am Institut für Eisen und Stahl in Wuhan. 1992 zieht er ins boomende Südchina. Shenzhen ist damals ein Fischerdorf mit 30.000 Einwohnern.

Xu ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das Perlflussdelta wird zur "Fabrik der Welt" – nahe der Metropole Hongkong –, und das Geld fließt in Immobilien. 1996 gründet er Evergrande. Das Geschäftsmodell ist einfach: Lokale Kader verkaufen billig Land an Konzerne, die es teuer an chinesische Bürger und ausländische Unternehmen weiterverkaufen.

Drittreichster Mann Chinas

2020 listete Forbes Xu als drittreichsten Mann Chinas. Das Modell schien so sicher, dass es scheinbar keinen Grund gab, nicht mehr Schulden aufzunehmen. Dabei kursierten längst Gerüchte, Evergrande sei zahlungsunfähig. Als die KP im Vorjahr eine Schuldenobergrenze verordnete, mehrten sich die Probleme, an frisches Geld zu kommen. Nun droht Evergrande die Pleite und China eine Finanzkrise.

Allein ist Milliardär Xu mit seinem Schicksal nicht. An den Kragen geht es vielen Unternehmern: Alibaba-Gründer Jack Ma ist in einer Art Hausarrest, Didi-Gründerin Jean Liu hat ihren Rücktritt angekündigt. Der machtbewusste Präsident Xi Jinping weitet seine Kontrolle über die Wirtschaft aus. (Philipp Mattheis, 22.9.2021)