Ab 2022 gelten für Gentests in der EU strengere Regeln.

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"Ein Gentest sollte so einfach und zugänglich sein wie ein simpler Bluttest", sagt Albert Kriegner, CEO und Gründer des Wiener Start-ups Platomics. Sein eigenes Unternehmen soll Teil dieser Entwicklung sein, indem es Laboren die entsprechende Software zur Verwaltung, Speicherung und Analyse dieser Daten zur Verfügung stellt. Doch halt: Erinnert das nicht verdächtig an jene Behauptung, auf Basis derer Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes nun wegen Betrugs vor Gericht steht? Nein, denn die Lage bei den Wienern ist eine gänzlich andere.

Neue EU-Regeln gegen Theranos-Nachahmer

Denn das Versprechen von Theranos war, mit nur kleinen Blutmengen in vom Start-up entwickelten Geräten diverse Krankheiten in kürzester Zeit nachweisen zu können. Diese Ankündigung entpuppte sich als heiße Luft – was ein entsprechendes Nachspiel mit sich brachte. Um die Gefahr derartiger Vorfälle künftig einzuschränken, wurden in der EU neue Regeln für In-Vitro-Diagnostika (IVDR) geschaffen, die ab Mai 2022 verpflichtend sind und strengere Zertifizierungen vorsehen – unter anderem für die Labore, in denen die Tests durchgeführt werden.

Während größere Institutionen diese Zertifizierungen durchaus beantragen können, stehen kleinere Labore damit vor einer großen Herausforderung. Denn die Beantragung einer solchen Zertifizierung über eine Zertifizierungsstelle kann ein Jahr dauern und pro Test zwischen 30.000 und 40.000 Euro kosten.

Dies ist der Punkt, an dem Platomics ins Spiel kommt. Denn das Start-up bietet den Laboren ein webbasiertes Softwaretool, über das sie die Tests durchführen können. Neben Partnerschaften mit Zertifizierungsspezialisten und den anderen Stakeholdern der Branche setzt Platomics darauf, dass das eigene System künftig die erforderlichen Zertifizierungen hat – was für die Labore bedeutet: Führen sie die Tests über die Plattform des Start-ups durch, so sind diese mit den neuen Regeln konform. Gezahlt wird von den Laboren an das Start-up jeweils pro Test – es gibt also weder Fixpreis noch Abomodell, sondern eher eine Art Umsatzbeteiligung.

14 Millionen Euro Investment

Mit diesem Konzept schließen die Wiener eine Lücke – und genau das dürfte auch den Investoren aufgefallen sein. Im Gründungsjahr 2014 bestand das Team noch aus vier Leuten, ein erstes Start-Investment – ein sogenanntes "Seed Investment" – folgte 2019 in Form eines siebenstelligen Betrags. Nun verkündet das Start-up die nächste Runde: Im Rahmen einer ersten "echten" Finanzierungsrunde, einer sogenannten Series A, steckt der Medtech-Investor Greybird 14 Millionen Euro in Platomics.

Bei Greybird handelt es sich nicht um einen klassischen Fonds, sondern um einen auf Medizintechnik spezialisierten Investor. Diesem geht es mit dem Investment vor allem darum, das entsprechende Marktsegment zu besetzen – denn Gentechnik ist ein wachsendes Feld, und das Teilsegment der dahinterliegenden Software ist noch nicht von einem Marktführer eingenommen.

Mit dem Kapital will man bei Platomics erstens die Software weiterentwickeln, zweitens Vertrieb und Business Development ausbauen. Denn die Mitarbeiterzahl ist inzwischen auf 75 gestiegen, jeden Monat kommen rund fünf neue Teammitglieder hinzu. Großteils handelt es sich um Entwickler und Bioinformatiker, zunehmend kommen jedoch auch Vertriebsmitarbeiter hinzu.

Europäische Lösung – europäische Daten

Platomics ist bereits in ganz Europa aktiv, und man betont, dass auch die entsprechenden Datencenter zertifiziert sind – was entscheidend ist, weil es wohl keine heikleren Daten als jene zu den eigenen Genen gibt. Die Labore haben erstens die Wahl, ob sie die Daten auf ihren eigenen Servern, den Servern des Start-ups oder in Datenzentren eines Drittanbieters – etwa Microsoft oder Amazon Web Services – speichern. Zweitens können sie auch das Land wählen, in dem die Server stehen.

Über den eigenen Umsatz schweigt man sich beim Start-up noch aus – er dürfte aber noch vergleichsweise gering sein. Wirkliche Zuwächse werden mit dem kommenden Jahr und dem Inkrafttreten der neuen EU-Regeln erwartet. Die Investoren sehen vor allem für die kommenden drei bis vier Jahre viel Potenzial.

Gentests für alle?

Was bedeutet das also für die Vision, dass Gentests künftig einfach und günstig für jedermann verfügbar sein sollen? Diese Perspektive ist eigentlich realistisch – auch deshalb, weil die Technologien für Gentests über die Jahre immer günstiger geworden sind. Allerdings wird es die Gentests nicht als DIY-Kit für zu Hause geben, vielmehr dürften sie künftig Teil einer Gesundenuntersuchung werden, so wie heute das Blutbild aus dem Labor. Auf diese Weise könnten genetisch bedingte Anfälligkeiten für diverse Erkrankungen früher erkannt werden, was entsprechende gezielte Vorsorgeuntersuchungen und personalisierte Medizin ermöglichen würde. (Stefan Mey, 22.9.2021)