Kanzler Kurz (rechts) im U-Ausschuss mit seinem Anwalt Werner Suppan.

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Es war eines der großen Rätsel der vergangenen Wochen: War Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in seinem Verfahren wegen des Verdachts auf Falschaussage bereits befragt worden – oder stand die Einvernahme erst bevor? Jetzt wurde das Rätsel gelüftet: Kurz erschien schon Anfang September vor einem Richter des Straflandesgerichts Wien, wie die ÖVP bestätigt.

Die Einvernahme fand laut Aktenteilen am 3. September statt, im ORF- Sommergespräch drei Tage später erwähnte Kurz sie nicht. "Ich bin froh, nach Monaten falscher Vorwürfe Anfang September mehrere Stunden die Möglichkeit gehabt zu haben, vor einem Richter zu den falschen Vorwürfen Stellung zu nehmen", kommentierte dies Kurz jetzt, der sich zurzeit bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York aufhält.

Öbag-Bestellung im Fokus

Kurz wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verdächtigt, vor dem Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt zu haben. Dabei geht es primär um den Bestellungsvorgang des einstigen Öbag-Chefs Thomas Schmid. Sichergestellte Chatnachrichten widersprechen laut WKStA den Aussagen von Kurz im U-Ausschuss gravierend.

In einer "verantwortlichen Äußerung" versicherte Kurz, bei seiner U-Ausschuss-Befragung am 24. 6. 2020 seinen "damaligen Wissens- und Erinnerungsstand wiedergegeben" zu haben. Er habe "nicht die geringste Absicht" gehabt, falsche Aussagen zu machen.

Vor einem Einzelrichter konnte Kurz nun laut eigenen Angaben " ausführlich zur Bedeutung einer doppelten Verneinung, oder wie ein ‚Na‘ auf ein ‚Nie‘ zu werten sei" und "Unterschiede in der Formulierung wie ‚eingebunden im Sinne von informiert‘ und ‚eingebunden im Sinne von involviert‘ Stellung nehmen". Kurz konnte aus seiner Sicht damit "die ungerechtfertigten Beschuldigungen widerlegen und entkräften".

In seiner "verantwortlichen Äußerung" wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt: "Ich habe in meiner Aussage schon vor der inkriminierten Antwort klargestellt, worin meine ‚Einbindung‘ nicht bestand, nämlich in einer Entscheidung".

"Irgendwann"

Zu dem Zeitpunkt, wann er über Schmids Absichten informiert war, hält Kurz schriftlich fest: "Ich kann auch heute nicht mit Sicherheit sagen, an welchem Tag genau mich Mag. Schmid das erste Mal über sein Interesse und die Absicht, sich als Öbag-Vorstand zu bewerben, informiert hat. Ich würde auch heute die Antwort geben, dass er mich ‚irgendwann‘ darüber informiert hat."

Kurz sieht außerdem die Corona-Pandemie als mildernden Umstand an: Wegen deren Bewältigung sei er "seit dem Frühjahr 2020 täglich von sehr frühen Morgenstunden bis spät in die Nacht beschäftigt und beansprucht" gewesen. Deshalb sei es ihm nicht möglich gewesen, "eine detaillierte Vorbereitung für die Aussage als Auskunftsperson" zu schaffen.

Außerdem erhalte und sende er jeden Tag "mehrere Hundert Textnachrichten", weshalb er sich "Jahre später nicht an alle Details, insbesondere meiner Kommunikation", erinnern könne.

Ihm sei schon bei der Befragung im U-Ausschuss bekannt gewesen, dass die WKStA die Kommunikation des mittlerweile zurückgetretenen Öbag-Managers Schmid sichergestellt habe. Von den Inhalten der Chats in seinen Aussagen abzuweichen sei "völlig sinnlos und kontraproduktiv", argumentiert Kurz in seiner verantwortlichen Äußerung, deshalb sei evident, dass er "nicht den geringsten Vorsatz oder auch geringsten Anlass" hatte, "unrichtige Aussagen, die nicht meiner damaligen Erinnerung entsprechen würden, abzugeben".

Verfahren im Endspurt

Das Vernehmungsprotokoll, das auch die Nachfragen des Richters beinhaltet, ist derzeit medial noch nicht aufgetaucht. Es soll demnächst im Casinos-Akt aufscheinen, der zahlreiche Ermittlungsstränge gegen ÖVP- und FPÖ-Politiker und Manager umfasst. Mit der Einvernahme kommt nun Bewegung in die Causa. Kurz’ Anwalt Werner Suppan hatte zuvor dafür gekämpft, dass diese von einem Richter statt wie üblich von der WKStA selbst durchgeführt wurde.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat das bekämpft, ihre Vorgesetzten haben sich jedoch für die richterliche Einvernahme entschieden. Bis zu einer Entscheidung über Anklage oder Einstellung wird es aber noch dauern, heißt es aus Justizkreisen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 22.9.2021)